Hinweispflicht bei der Parkettrenovierung

Mehrschichtparkett hat schon lange Massivparkett den Rang abgelaufen: Über 80 % der jährlich verlegten Holzböden sind zwei- oder dreischichtig aufgebaut und auch im Bestand dominiert mittlerweile das sogenannte Fertigparkett. Zwangsläufig nehmen diese auch bei Renovierungsanfragen – dem Abschleifen und neu Versiegeln oder Ölen bereits verlegter und genutzter Holzböden – eine immer bedeutendere Rolle ein. Häufig werden Renovierungsaufträge für Parkettböden von Unternehmen angenommen, die diese Böden nicht selbst verlegt haben und bei denen zudem wichtige Angaben zur Erstverlegung fehlen. So sind das verwendete Parkett, seine Konstruktionsart, die eingesetzten Verlegewerkstoffe und der vorhandene Untergrund unbekannt. Der versierte Parkettleger weiß damit umzugehen, Untergrundprüfungen durchzuführen und die festgestellte Ist-Situation individuell einzuschätzen. Während bei schwimmend verlegtem Fertigparkett umfangreiche Prüfungen notwendig sind, stellt sich bei vollflächig verklebtem Massivparkett das Risiko vor allem im nicht mehr (ausnahmslos) vorhandenen festen Verbund der Parkettstäbe zum Untergrund hin dar. Bei verklebtem Fertigparkett stellt sich zudem die Frage, ob der mehrschichtige Konstruktionsaufbau noch funktionstüchtig ist. Dass es hierbei trotz üblicher Vorprüfungen unangenehme Überraschungen geben kann, verdeutlicht folgender teilfiktiver Fall.

ABLÖSUNGEN DER DECKLAMELLEN

Eine junge Familie kauft ein Einfamilienhaus, ein rund 20 Jahre altes Bestandsgebäude. Vor dem Einzug wollen sie auf einer Fläche von rund 55 m² vorhandene Parkettböden im Wohn-, Ess- und Kinderzimmer abschleifen und neuversiegeln lassen. Der beauftragte Parkettleger stellt vor Beginn der Arbeiten fest, dass es sich um ein vollflächig verklebtes Einstab-Zweischicht-Parkett in der Holzart Eiche handelt, das eine Nutzschichtdicke von etwa 3,0 mm aufweist.

Eine orientierende Prüfung auf Hohllagen zeigt keine Auffälligkeiten, so dass er mit den Arbeiten beginnt. Nachdem der alte Lack mit einer Bandschleifmaschine bis auf das rohe Holz entfernt wurde, erfolgten weitere Schleiffolgen mit einer Tellerschleifmaschine. Die Grundierung und Lackierung wurde mit einem Parkettwasserlack und Zwischenschliff in vier Aufträgen nach Herstellerangaben ausgeführt.

Bereits unmittelbar nach Fertigstellung zeigten einzelne Decklamellen der Einstab-Zweischicht-Elemente Aufwölbungen oder lösten sich teilweise ab. Die entstandenen Schäden wurden im Zuge von Nachbesserungsmaßnahmen bearbeitet und neutralisiert, das Gebäude bezogen.

Nach einem halben Jahr Nutzung wurden erneut Decklamellen-Ablösungen bemängelt, über deren Ursache und Beseitigung keine Einigung erzielt werden konnte. Die Sache landete vor Gericht, das zur Klärung des Sachverhalts ein Gutachten beauftragte.

KOHÄSIONSBRUCH

Im Rahmen des Ortstermins konnten die beschriebenen Ablösungen der Decklamellen im Bereich des Wohn-, Ess- und Kinderzimmers festgestellt werden. Ein mit dem gleichen Parkett ausgelegter Flur zeigte hingegen keine Ablösungen oder akustischen Hohllagen. Nach Angaben der beteiligten Parteien soll dieser Parkettboden nicht renoviert worden sein.

Zur Ursachenforschung wurde im Bereich des Kinderzimmers eine Decklamelle aus der Verlegeeinheit herausgenommen. Dabei konnte ein Kohäsionsbruch innerhalb der Klebstoffschicht zwischen Decklamelle und Trägerschicht festgestellt werden: Die Decklamelle wies keinen kraftschlüssigen Verbund auf. Der bei der industriellen Herstellung des Einstab-Zweischicht-Parketts eingesetzte Klebstoff zur Verbindung der Fügeflächen beziehungsweise der Decklamellen und der Trägerschicht lag weichplastisch vor.

Die Ablösung hervorgerufen haben im Gebrauch entstehende Scherzugkräfte, die beim Quellen und Schwinden des Holzes allein durch Raumklimaänderungen auftreten. Aber auch die temporär erhöhten Scherzugkräfte im Rahmen der Versiegelung schwächten die vorhandene industrielle Klebstofffuge. Die entsprechend vorgeschädigte und alterungsbedingt geschwächte Verklebung konnte den kraftschlüssigen Verbund zwischen Decklamelle und Trägerschicht nicht mehr gewährleisten.

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1. GESAMTEINDRUCK
Auch ohne Markierungen sind die aufgewölbten Decklamellen gut erkennbar.

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2. DETAIL
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sich einzelne Decklamellen von der Trägerschicht abgelöst haben und zum Teil lose vorliegen.

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3. ÖFFNUNG
Ohne viel Kraftaufwand lassen sich einzelne Decklamellen von der Trägerschicht abheben.

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4. KONSTRUKTION
Ein Kohäsionsbruch in der Klebstofffuge zwischen Decklamelle und Trägerschicht ist die Ursache der Ablösung.

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5. ÜBERPRÜFUNG
Der Klebstoff liegt weichplastisch beziehungsweise umgangssprachlich „kaugummiweich“ vor.

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6. FOLGE
Der Klebstoff ist plastisch verformbar und kann keinen kraftschlüssigen Verbund mehr gewährleisten.

Das sagt die Norm

Zum Punkt „Bearbeiten von Parkett, Dielen und Holzpflaster in Bestand“ führt der Kommentar zur DIN 18 356 „Parkettarbeiten“, Ausgabe 2011, verkürzt aus, dass die bloße Abarbeitung der im Abschnitt 3.1.1 genannten Prüfpflichten den Auftragnehmer nicht davon entbindet, darüber hinaus produktspezifische Besonderheiten und Gegebenheiten zu beachten. Nur so wird er der sich aus §4 Nr.3 VOB/B ergebenden Verpflichtung gerecht, im Zweifel Bedenken geltend zu machen. Und weiter: „Dieser Artikel bürdet dem Auftragnehmer keine neuen oder weitergehenden Prüfpflichten auf. Er ist als Anregung gedacht, mitunter vorhandene Probleme im Vorfeld zu erkennen, um einvernehmliche Lösungen mit dem Auftraggeber herbeizuführen. Dabei schuldet der Auftragnehmer jeweils nur die im Verkehr übliche Sorgfalt und keinesfalls darüber hinausgehende Untersuchungen.“ Beispielhaft wird unter dem Punkt „Mehrschichtparkett“ aufgeführt: „Komplett oder teilweise lose Decklamellen: Verdacht auf Leimfehler.“

Fazit

Entsprechend dem vor Ort festgestellten Sachverhalt handelt es sich um einen Materialfehler des industriell hergestellten Mehrschichtparketts: Die Klebstofffuge zwischen den Decklamellen und der Trägerschicht zeigt im Zuge der Alterung einen offensichtlichen Festigkeitsverlust, der nicht durch die Renovierung hervorgerufen wurde. Der mehrfache Lackauftrag hat die Ablösung lediglich durch erhöhte Spannungen begünstigt – wie sich im Vergleich zur noch intakten unrenovierten Fläche im Flur zeigt. Dem Parkettleger ist hier eigentlich kein Vorwurf zu machen: Er hat die zu renovierenden Parkettböden ausreichend geprüft und den Stand der Technik bei Abschliff und Versiegelung berücksichtigt. Den Materialfehler konnte er nicht erkennen. Vor Gericht wird er vermutlich dennoch für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden. Es sei denn, er hat seinen Kunden nachweislich auf nicht erkennbare (alterungsbedingte) Vorschäden hingewiesen, die das Ergebnis seiner Arbeit beeinflussen können.