Problemfall Kettelleiste?

Sockelleisten aus gekettelten Teppichstreifen sind ein beliebter Wandanschluss. Fälle von Fugenbildungen oder Aufwölbungen im Randbereich werfen allerdings die Frage auf, ob Kettelleisten überhaupt fachgerecht sind.

Gekettelte Teppichstreifen als Sockelleiste zu verwenden, ist seit dem Aufkommen textiler Bodenbeläge gang und gäbe. Kilometerweise findet man sie seitdem als Wandanschluss in großen Objekten wie Büro- oder Verwaltungsgebäuden, aber auch im Wohnbereich sind sie heute noch eine preiswerte Möglichkeit, den Übergang zwischen Boden und Wand herzustellen. Aber sind sie rein technisch überhaupt dafür geeignet?

Teppichfliesen stauchen an der Wand

Um diese Frage zu beantworten, bemühen wir einen teilfiktiven Fall. In einem Gebäude der öffentlichen Hand wurden Teppichfliesen mit Trockenkleber auf Hohlraumböden aus Calciumsulfat-Fließestrich verlegt. Als Wandanschluss wurden Kettelsockelleisten aus dem gleichen Material mit doppelseitigem Klebeband montiert. Im Zuge der Nutzung werden sich aufwölbende und zum Teil ablösende Fliesen im Randbereich vor den Wänden beanstandet.

Die Ausgangslage
Teppichfliesen auf Hohlraumböden wölben sich vor einer Wand auf, während sie vor der gegenüberliegenden Wand plan liegen. Auslöser dafür ist, dass die Fliesen umlaufend bündig an die Wand gelegt wurden, der Estrich sich im Nachhinein bewegt hat und dadurch die Fliesen stauchen.

Die Überprüfung zeigt, dass sich die wellenden oder bereits gelösten Fliesen nicht wieder spannungsfrei, plan in die vorhandene Lücke zwischen drei anderen Fliesen und der Wand legen lassen. Presst man sie in die vorhandene Lücke, zeigt sich, dass sie im Wandbereich stark stauchen. Auffällig ist zudem, dass die Wölbungen und Ablösungen immer nur an einer Wand im Raum festzustellen sind, während sich an der gegenüberliegenden Wand eine kleine, wenige Millimeter breite Fuge zwischen Wandputz und Teppichfliese zeigt.

Der Untergrund
Die Randfuge wurde korrekt ausgebildet, auch wenn sie auf der beanstandeten Seite deutlich schmaler ist als gegenüberliegend.

Bei näherer Überprüfung wird festgestellt, dass die Fuge zwischen Hohlraumboden und Wand an der jeweils reklamierten Seite des Raums deutlich schmaler ist als an der gegenüberliegenden schadensfreien Wand. Ein Randstellstreifen, der im Einbauzustand eine Stärke von 8 mm aufweist, zeigt sich in diesem Bereich auf 5 bis 6 mm Stärke komprimiert. Die Randfuge des Hohlraumbodens an sich wurde jedoch umlaufend korrekt ausgeführt, an keiner Seite im Raum ist sie unterbrochen, der Hohlraumboden kann sich also – so wie konstruktiv notwendig – frei bewegen.

Die Randfuge
Zwischen dem Hohlraumboden und den Wänden wurde ein 8 mm breiter Dämmstreifen eingebaut, der nun einseitig auf 5 bis 6 mm zusammengepresst ist.

Verlegefehler ist der Auslöser

Auf Nachfrage zur Art der Verlegung wurde mitgeteilt, dass man zu Beginn der Arbeiten festgestellt habe, dass die Kettelleiste die Randfuge nicht überdeckt. Die Kettelleiste ist materialbedingt nur 5 mm stark. Die Randfugen sollen zum Zeitpunkt der Verlegung im Mittel eine Breite von 8 mm aufgewiesen haben. Daher entschloss man sich, die Randstellstreifen abzuschneiden, die Teppichfliesen bündig an die Wand stoßen zu lassen und die Kettelleiste zu montieren.

Die Kettelleiste
Der verlegte textile Bodenbelag, aus dem auch die Kettelleiste gefertigt wurde, hat lediglich eine Stärke von 5 mm.

Was zu den Aufwölbungen und Ablösungen führte, ist somit klar: Die umlaufend bündig an die Wand angearbeiteten Teppichfliesen hatten keinen Spielraum, um Bewegungen des Hohlraumbodens zu kompensieren. Ein typischer Verlegefehler, der so auch bei allen anderen Bodenbelagsarten zu Beanstandungen geführt hätte.

Gedankenfehler ist die Ursache

Randfugen sind von ihrer Funktion her Bewegungsfugen zwischen Estrich und Wand und werden bei unbeheizten Calciumsulfat-Fließestrichen gemäß ihrer Materialkennwerte, aber mindestens 8 mm breit ausgebildet. Bewegungsfugen – also auch Randfugen – dürfen nicht geschlossen werden. Sie sind in gleicher Breite im Bodenbelag zu übernehmen.

Im Merkblatt „Calciumsulfat-Fließestriche – Hinweise für die Planung“ des Verbands für Dämmsysteme, Putz und Mörtel heißt es hierzu: „Randfugen sind Bewegungsfugen zwischen Estrich und Wand beziehungsweise aufgehenden Bau- und Einbauteilen. Bei großen fugenlosen Flächen ist die Randfuge entsprechend dicker zu dimensionieren. Die Zusammendrückbarkeit des Randdämmstreifens muss größer sein als die Verformungen des Estrichs. In unbeheizten Konstruktionen sollte die Dicke des Randdämmstreifens 8 mm und in beheizten Estrichkonstruktionen 10 mm nicht unterschreiten.“

Das heißt, dass alle Bodenbeläge bündig mit den Außenkanten eines schwimmenden Estrichs (oder Hohlraumbodens) abschließen müssen, um die Bewegung des Estrichs nicht zu behindern. Ist dies nicht der Fall, kann es – wie beschrieben – zu Aufwölbungen oder Ablösungen des Belags oder auch zu Schallbrückenbildung kommen. Führt man diesen Gedanken weiter, heißt das auch, dass Wandanschlüsse in Form von Sockel- oder Kettelleisten die Randfugenbreite des Estrichs immer überdecken müssen. Und mehr noch, sie müssen zudem über einen „Breitenpuffer“ von einigen Millimetern verfügen, um Bewegungen des Estrichs und möglicherweise sich dadurch vergrößernde Fugen weiterhin abdecken zu können.

In der Folge bedeutet das, dass nicht nur die meisten Kettelleisten als Wandanschluss ungeeignet sind, sondern auch viele „dünne“ Sockelleisten. In der Praxis haben sich Mindestbreiten von 12 oder besser noch 14 mm als tauglich erwiesen.

Wissenswertes

Im Merkblatt 5 „Fugen in Calciumsulfat-Fließestrichen“ des Industrieverbands WerkMörtel und der Industriegruppe Estrichstoffe im Bundesverband der Gipsindustrie heißt es unter anderem:

„Randfugen sind von ihrer Funktion her Bewegungsfugen zwischen Estrich und Wand. Sie werden in der Regel durch den Einbau eines Randdämmstreifens ausgebildet. Bei unbeheizten Estrichkonstruktionen soll die Dicke des Randdämmstreifens 8 mm nicht unterschreiten.“

Im Merkblatt „Fugen in Systemböden“ (Nr. 019-Fugen-003) des Bundesverbands Systemböden heißt es hierzu auch: „Die Breite der Randfugen ist gemäß der Materialkennwerte zu dimensionieren. Dabei sind die zu erwartenden klimatischen Bedingungen, die Flächengröße und der jeweilige angegebene Wärmeausdehnungskoeffizient und Quellwert zu berücksichtigen.“

Im TKB-Merkblatt 8 „Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen für Bodenbelag- und Parkettarbeiten“ von der Technischen Kommission Bauklebstoffe wird hierzu zudem ausgeführt: „Bewegungsfugen dürfen nicht geschlossen werden. Sie sind in gleicher Breite im Bodenbelag zu übernehmen.“

Fazit

Nur weil etwas scheinbar schon immer so gemacht wurde, muss es nicht richtig sein. Aber auch für das Thema Kettelleiste gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Denn Millionen Kilometer liegen beanstandungsfrei. Rein funktional betrachtet stellen Wandanschlüsse, die dünner als 12 mm sind, auf schwimmenden Estrichen keine fachgerechte Leistung dar – unabhängig davon, aus welchem Material sie bestehen.

Auftraggeber, die einen geringer dimensionierten Wandanschluss ins Auge fassen, sind ausführlich darüber aufzuklären, warum dies fachlich nicht möglich ist. Einerseits, weil die Randfuge nicht mit Belag überdeckt werden kann, da man ansonsten die Bewegung des Estrichs behindern und Schallbrücken erzeugen könnte. Und andererseits, weil die Bewegung des Estrichs auch dazu führen könnte, dass ein unschöner Spalt zwischen Belagskante und Sockelleiste entsteht. Sollen Sie dennoch anders ausführen, melden Sie Bedenken an.