Das Geld liegt unter dem Bodenbelag

Machen wir uns nichts vor: In Zeiten, in denen jeder Heimwerker oder selbst ernannte Allround-Handwerker über YouTube-Videos lernt, wie man Boden legt, fällt es dem Fachhandwerker schwer, beim Privatkunden seine Leistung angemessen bezahlt zu bekommen. Während früher der fachgerechte Nahtschluss einer Webware oder das einwandfreie Verlegen von Linoleumbahnen nur durch viel Erfahrung und Können dem Fachmann vorbehalten war, haben spätestens die Laminatböden den Weg von (ungelernten) Quereinsteigern in unser Metier geebnet. Die Verlegung von Teppichfliesen und Designbelägen, Laminat oder Fertigparkett verlangt heute keine Meister-Qualifikation mehr, sondern nur noch einen Kombi, um das Material zur Baustelle zu bringen – der Rest ist „Learning by doing“.

Fachgerecht und weitsichtig planen

Zur Wahrheit gehört zum Glück auch, dass der Profi es in vielen Fällen heute immer noch besser macht als der Amateur. Für den Kunden bedeutet dies mehr Sicherheit und längere Freude an seinem Bodenbelag, aber eben auch einen höheren Preis, den nicht jeder bereit ist zu zahlen. Dem Laien ist nur schwer zu vermitteln, wo im Ergebnis der Unterschied liegt: Für ihn zählt vorerst nur die fertige, nutzbare Bodenbelagsfläche, was darunter ist oder wie die Situation bei einem Belagswechsel aussieht, hat er nicht im Blick. Es ist also ein gewisses verkäuferisches Geschick erforderlich, seinem Kunden den höheren Preis glaubhaft zu vermitteln. Vor allem aber ist es wichtig, diesen mit entsprechenden Leistungen zu unterfüttern. Zum Glück ist der Fachmann dabei nicht darauf angewiesen, unnütze Zusatzleistungen zu erfinden, nur um den Preis in die Höhe zu treiben. Vielmehr genügt es, fachgerecht und weitsichtig zu planen und dabei ein besonderes Augenmerk auf den Untergrund zu richten. Denn heute liegt mehr denn je das Geld unter dem Belag – auch beim Privatkunden.

Kritische Auftragsprüfung

In der Praxis bedeutet dies grundsätzlich eine kritische Prüfung des Auftrags, der an Sie herangetragen wird. Denn hinter dem einfachen Wunsch eines Belagswechsels kann sich eine umfangreiche Fußbodensanierung verbergen. Ein Beispiel: Ein Rentnerpaar möchte im Wohnzimmer einen neuen Teppichboden verlegt haben. Rein optisch liegt der alte Teppich noch einwandfrei. Möbliert ist der knapp 20 Quadratmeter große Raum mit einem Tisch mit Couchgarnitur, einem Fernsehsessel, einem Esstisch mit vier Stühlen und einer Schrankwand. Eine erhöhte Belastung des Bodens ist bei den älteren Leuten nicht zu erwarten. Der Teppichmarkt würde zum Preis der Ware fünf Euro pro Quadratmeter für das Rausnehmen des alten und das Reinlegen des neuen Teppichs mit einer Randfixierung auf doppelseitigem Klebeband verlangen und nochmals 15 Euro für die Montage einer neuen Übergangsschiene berechnen. Aber er denkt zu kurz!

Einzelfallentscheidung

Der Fachmann kann erst nach Aufnahme des alten Belags sagen, was zu tun ist: Zum Vorschein kommt ein Estrich mit alten Verlegewerkstoffschichten. Im Bereich der Aufstandsfläche des Fernsehsessels haben sich einzelne Schichten davon gelöst. Auf Nachfrage erfährt man, dass das Gebäude 1950 errichtet und seitdem vermutlich vier Mal der Belag gewechselt wurde. Ein einfaches „Zudecken“ eines solchen Untergrundes wäre grob fahrlässig, der Schaden und die damit verbundene Reklamation programmiert.

Nun muss man bei Oma und Opa im Wohnzimmer nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen: Der Estrich kann in diesem Fall wohl erhalten bleiben, bei einer Objektnutzung hätte er sicher rausgemusst. Um einen Abtrag der alten Schichten und einen fachgerechten Neuaufbau wird man nicht herumkommen. Je nach Zustand und individueller Abwägung des zu erwartenden Erfolges ließe sich auch mit einer neuen Lastverteilungsschicht, beispielsweise mit einem Holzwerkstoff-Unterbodensystem arbeiten.

Schnell fallen 30 Euro und mehr pro Quadratmeter nur für die Herstellung eines verlegereifen Untergrunds an, die man dem Kunden argumentieren muss. Grundsätzlich hilft es beim Privatkunden wenig, auf die Einhaltung von Normen und Vorschriften zu verweisen, anschaulicher sind Argumente wie lange Haltbarkeit, leichterer Belagswechsel oder Wertsteigerung. Im Wohnzimmer des Rentnerpaars hilft der Hinweis, dass das Bewegen des Fernsehsessels auf dem alten Untergrund kurzfristig zum Schaden im neuen Teppich führt. Und, etwas salopp gesagt, dass man doch nicht den „Müll“ der letzten 70 Jahre mit einem schönen neuen Belag „beerdigen“ kann.

1. Boden mit Vergangenheit
Ein Estrich schreibt Geschichte – oft über viele Jahrzehnte. Dieser wurde 1950 verlegt. 1968, 1995 und 2009 erfolgte ein Belagswechsel. Wollen Sie darauf noch einen Belag verlegen?

2. Auf den ersten Blick gut
Diese Spachtelmassenschicht hatte nur ein paar Haarrisse. Für einen neuen Teppichboden ausreichend – oder? Erst die Prüfung zeigte das Risiko.

3. Einfach zudecken?
Mit einer Dämmunterlage wäre hier ein ebener Untergrund zur schwimmenden Verlegung schnell hergerichtet. Die Probleme durch die offene Fuge und möglichen Geruch schlagen aber sicher durch.

Wissenswertes

Wird ein Untergrund nicht fachgerecht vorbereitet und kommt es später aus diesem Grund zu einem Schaden, hat der Bodenleger fahrlässig gehandelt. Dies ergibt sich aus § 276 Abs. 2 BGB: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“

Im „Kommentar zur ATV DIN 18 365 Bodenbelagarbeiten“, 2017, wird die „erforderliche Sorgfalt“ unter Punkt 3 „Ausführung“ unter anderem so beschrieben: „Altuntergründe, wie bereits genutzte Bodenbeläge, Fliesen, Beschichtungen u. a., stellen grundsätzlich keine normgerechten Untergründe dar. Hier sind Bedenken anzumelden. Sollte dennoch ein Bodenbelag darauf verlegt werden, besteht ein erhebliches Risiko. Aus diesem Grund sind evtl. weiterführende Prüfungen und daraus resultierende Maßnahmen notwendig, die bereits im Vorfeld (Planer/Fachplaner) festzulegen sind. Dies gilt sinngemäß auch für alte Spachtelmassen und Klebstoffschichten. Diese sind zu entfernen (Pkt. 4.2.2).“

Fazit

Der boden- und parkettlegende Handwerker muss heute nicht mehr nur Meister seines Fachs sein, sondern auch Profi-Dienstleister. Ein breites Fachwissen zur Sache, professionelle Maschinen und Werkzeuge sowie eine solide Kalkulation und schlüssige Argumentation sind Grundvoraussetzungen, um im Wettbewerb zu bestehen. Gerade die Zunahme an Arbeiten in Bestandsgebäuden erfordert Lösungen für die Instandsetzung von Altuntergründen, die im privaten Wohnbereich ganz anders aussehen können oder müssen als im großen Objekt.

Wenn dennoch in Ausnahmefällen eine Verlegung auf alten Untergründen erfolgen soll, entsteht ein hohes Risiko: Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Auftraggeber, die den Auftragnehmer aus der Haftung entlässt, ist erforderlich. Hierbei reicht es nicht, nur den zu erwartenden Schaden zu beschreiben, sondern auch die sich daraus ergebenen Folgen.