Estrichzusatzmittel sind kein Erfolgsgarant

Der Bauboom und der Trend zu kürzeren Bauzeiten fordern immer öfter den Einsatz von schnell trocknenden Estrichen. Während die Wirksamkeit von Schnellzementen (SZ) als Spezialbindemittel in Estrichen unstreitig ist, scheiden sich die Geister beim Einsatz von Estrichzusatzmitteln (EZM). Diese sollen die Anmachwassermenge beziehungsweise den Wasser-Zementwert (w/z-Wert) einer Estrichrezeptur auf Basis von Normalzement verringern. In der Folge daraus versprechen die EZM-Anbieter eine frühere Belegreife des Estrichs. Garantieren tun sie das indes nicht, denn bis zum fertigen Estrich gibt es einige Unwägbarkeiten, die das Ergebnis beeinflussen können. Und so trägt einmal mehr der Bodenleger das Risiko – wenn er sich nicht entsprechend absichert, wie der folgende teilfiktive Fall verdeutlicht.

LVT auf Heizestrich

In einem neu erstellten Einfamilienhaus wurde ein Calciumsulfat-Heizestrich eingebaut. Aus den Unterlagen geht hervor, dass dem Estrichmörtel ein sogenannter Trocknungsbeschleuniger zugegeben wurde. Das pulverförmige Zusatzmittel soll nach Angaben des Herstellers die Trocknung des Estrichs beschleunigen. Er formuliert vage, dass die Belegreife „nach etwa drei Wochen“ erreicht wird und gibt einen CM-Wert von 0,5 CM-% (Querschnittsmessung) vor.

Nach einem protokollierten Funktions- und Belegreifheizen führt der Bodenleger an drei ausgewiesenen Messstellen Feuchtegehaltsmessungen nach der Calciumcarbid-Methode durch, stellt im Mittel einen Wert von 0,28 CM-% fest und beginnt mit den Untergrundvorbereitungsmaßnahmen. Er führt einen Reinigungsschliff durch, saugt die Fläche ab und grundiert sie. Im Anschluss verklebt er Kunststoff-Designbodenbelag-Planken mit einem faserarmierten Nass-Klebstoff. Die Flächen werden abgenommen und genutzt. Bereits ein halbes Jahr später zeigen sich erste Beulen- und Blasenbildungen innerhalb der Designbelagsflächen, deren Ursache ein Gutachten klären sollte.

Bei der Begutachtung wurde schnell deutlich, dass unter dem Belag eine erhöhte Feuchte vorlag. Unmittelbar unterhalb einer Blasenbildung konnte eine relative Luftfeuchte von 85,81 % bei 19,44 °C Lufttemperatur festgestellt werden. Bei den flächig verteilt durchgeführten CM-Messungen wurde der Feuchtegehalt des Estrichs mit 0,44 sowie 0,43 und 0,93 CM-% gemessen.

EZM-Dosierung ist eine Herausforderung

Die entstandenen Beulen- und Blasenbildungen sind auf erhöhte Feuchte innerhalb des Calciumsulfat-Estrichs zurückzuführen. Diese wirkt auf die obere Estrichrandzone und somit auf die Verlegewerkstoffschichten ein und führt zum Festigkeitsverlust der Verklebung.

Die Frage, wie es zu dieser erhöhten Feuchte kommen kann, wenn doch vor der Verlegung die Werte im grünen Bereich lagen, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Unter besonderer Beachtung der speziellen Parameter der Fußbodenkonstruktion ergeben sich jedoch Anhaltspunkte, die für sich genommen oder einzeln betrachtet schadensursächlich sein können.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Estrichzusatzmittel nicht vorschriftsmäßig verarbeitet worden ist: Der Hersteller gibt an, dass „die Dosierung 1,3 Gewichts-% bezogen auf den Calciumsulfatbinder, direkt in den Mischer nach Vorlegen der Hälfte der Gesteinskörnung“ zu erfolgen hat. Zudem sei der Estrichmörtel „auf eine erdfeuchte Verarbeitungskonsistenz“ einzustellen. Unter Baustellenbedingungen eine echte Herausforderung, alle Parameter gleichmäßig zu beachten. Denn: Bei der Herstellung des Estrichmörtels im Zwangsmischer können mit jeder „Füllung“ nur vier bis fünf Quadratmeter fertige Estrichfläche hergestellt werden, danach muss neu angesetzt werden. Es ist also durchaus vorstellbar, dass in unterschiedlichen Bereichen auch unterschiedliche Estrichmischungen liegen, von denen die einen schneller und die anderen langsamer trocknen. Je nachdem, wo nun die Messmarken liegen, ist es nicht auszuschließen, dass – wie in diesem Fall wahrscheinlich – nur die korrekt dosierten Bereiche gemessen werden, in anderen aber die Belegreife noch nicht erreicht ist. Einfluss auf das unterschiedliche Trocknungsverhalten können aber auch raumklimatische Verhältnisse, das Aufstellen von Bautrocknern oder Heizgeräten sowie das (partielle) Abdecken oder Auffeuchten des Estrichs und anderes mehr sein.

Schaden
Ein auf einem neu verlegten Calciumsulfat-Heizestrich verklebter PVC-Designbelag zeigt Blasen- und Beulenbildungen

Klimamessung
Unterhalb einer Blasenbildung wurde eine relative Luftfeuchte von 85,81 % gemessen. Der Belag ließ sich teilweise mühelos vom Untergrund abziehen

Feuchtemessung
Parallel zur CM-Messung wurden auch Proben aus der unteren, mittleren und oberen Schicht entnommen, um eine gravimetrische Feuchtebestimmung vorzunehmen

Dickenmessung
Die Dickenmessung gibt Aufschluss darüber, ob der Estrich gleichmäßig eingebaut wurde, wie seine Konsistenz ist und wie die Dämmung und das Heizsystem beschaffen sind

Wissenswertes

Das TKB-Merkblatt 14 „Schnellzementestriche und Zementestriche mit Estrichzusatzmitteln“, Stand August 2015, beschreibt ausführlich den Unterschied zwischen Schnellzementen (SZ) und Estrichzusatzmitteln (EZM). So wird beispielsweise ausgeführt: „Für die mit EZM zu erreichenden Estricheigenschaften, wie zum Beispiel Festigkeitsentwicklung, Schwindverhalten und insbesondere die Trocknungszeit, gibt es vielfältige unterschiedliche Aussagen, die teilweise einer Überprüfung nicht Stand halten. Dies führt zu Unsicherheit sowohl bei Planern als auch bei Verarbeitern.“ An anderer Stelle heißt es: „Eine verlässliche Aussage zur Wartezeitverkürzung (von Normalzement-Estrichen mit EZM) bis zur Belegreife ist nicht möglich.“
Zur Bestimmung der Belegreife wird angemerkt: „In Normalzement-Estrichen können EZM zu Verschiebungen der Gleichgewichtsfeuchte und damit auch der Belegreife führen. In solchen Fällen kann die KRL-Methode einen materialunabhängigen Hinweis auf den Feuchtezustand liefern.“

Fazit

Der Einsatz von Estrichzusatzmitteln kann bei korrekter Anwendung zu einer schnelleren Belegreife führen. Da jedoch der Estrichleger im Regelfall diese Eigenschaft nicht konkret zusichert, liegt das Risiko beim Bodenleger. Der sieht sich häufig nicht nur mit der Interpretation gewonnener Messergebnisse konfrontiert, sondern auch mit dem Druck der beteiligten Parteien: Bauherren und Planer vertrauen im Regelfall auf die Versprechen der EZM-Hersteller und fordern vom Bodenleger, ohne Diskussion nach Verstreichen der angegeben Trocknungszeit mit der Verlegung zu beginnen. Hier gilt es für den Verleger standhaft zu sein und – wenn er berechtigte Zweifel an der Belegreife hat – auf eine Gewährleistungsübernahme durch seinen Auftraggeber zu bestehen. Anderenfalls sollte er so viele Messergebnisse wie möglich zusammentragen und dokumentieren, um sich ein Bild vom Trocknungszustand und -verlauf des Estrichs zu machen. Übrigens: Eine besondere Leistung, die zu vergüten ist.