Gewebter Teppichboden

Planung von Muster und Design sind nicht immer exakt umsetzbar

Für ein Luxushotel in Berlin wurde eine individuelle Bodengestaltung für jedes Zimmer geplant. Der Entwurf sah eine Kombination aus Parkett und einem Teppichboden vor. Der Parkettboden wurde ausgespart, um jacquardgewebte Teppichböden mit speziell entwickeltem Muster und Design einzupassen (Bild 1). Ein beauftragtes Designstudio plante und entwickelte das Muster und die Rapporte der jacquardgewebten Teppiche am Computer (Bild 2 und Bild 5) für jedes Zimmer/jede Aussparung millimetergenau. Für das Einpassen des Teppichbodens wurde als „Toleranz“ ein umlaufender dunkler, unifarbener Randstreifen in 10 Zentimeter Breite berücksichtigt. Beabsichtigt war, einen dunklen, unifarbenen Rahmenfries von circa 6 Zentimeter Breite zu erhalten.

Toleranzen ausgeschöpft

Die individuell für jedes Zimmer hergestellten Teppiche wurden angeliefert und mussten vom Bodenleger unter erheblichem Zeitdruck verlegt werden. Dass gemusterte Teppichböden – wie auch in diesem Fall – in Längs- und Querrichtung Bogigkeiten aufweisen können, ebenso wie Schrägverzüge, ist bekannt und stellt im Regelfall den Bodenleger vor lösbare Aufgaben.

Häufig werden vom Bodenleger im Zuge der Angebotsabgabe keine detaillierten Informationen darüber eingeholt, welche Teppichbodenart, -qualität und -musterung zum Einsatz kommen sollen. Zur Kalkulation seiner Leistung ist es aber besonders wichtig, genau das zu wissen, da der Aufwand für die fachgerechte und einwandfreie Verlegung in Abhängigkeit der Art und Beschaffenheit eines Teppichbodens und unterschiedlicher Verlegemethoden erheblich differieren kann.

In diesem Fall war der Bodenleger allerdings „vorgewarnt“ und wusste im Detail, welche Art Teppichboden zu verlegen war. Dennoch zeigte die Webware neben Schrägverzügen auch Bogigkeiten, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung, die bei der Verlegung nicht vollständig neutralisiert wurden (Bild 7).

Die Ursache hierfür ist u. a. in der Ausschöpfung von Toleranzen der DIN CEN/TC 14159 (siehe Kasten Seite 64) zu sehen: Werden, wie in diesem Fall, bei einer Flächengröße von 300 x 400 Zentimeter die Toleranzen unterschiedlich ausgeschöpft, das heißt die Rapportlänge in Längsrichtung der Bahn sowie in der Breite der Bahn gegebenenfalls gegensätzlich in Anspruch genommen, kann die Situation dazu führen, dass der geplante, unifarbene, dunkle Randfries der Teppiche nicht als Ausgleich ausreicht, um ein harmonisches optisches Erscheinungsbild des Teppichs innerhalb der Aussparung der Parkettfläche herzustellen (Bild 6 und 8).

Bei der Muster- und Designentwicklung wurden die normativen Toleranzen nicht berücksichtigt: Was auf dem Papier millimetergenau stimmte, zeigte sich in der Praxis von Fall zu Fall nicht umsetzbar. Hinzu kam, dass auch die Winkligkeit der Aussparungen innerhalb der Parkettflächen zum Teil „toleranzausschöpfend“ vorlag (siehe letzter Abschnitt).

06_11_Objektsituation(1)
Bild 1 – Objektsituation
Bild 2 - bestellt
Bild 2 – bestellt
geliefert
Bild 3 – geliefert

bestellt
Bild 4 – bestellt
geliefert
Bild 5 – geliefert

Rapport in der Praxis
Bild 6
Querbodenverzug
Bild 7
Breitendifferenz
Bild 8

 

Vereinbarungen treffen

Der versierte Bodenleger kann sich ausrechnen, dass beim „unglücklichen Zusammentreffen“ zulässiger Maßtoleranzen der Teppiche, einhergehend mit den zulässigen Winkelabweichungen der Aussparungen, kaum ein zufriedenstellendes, harmonisches Erscheinungsbild erzielbar ist, wenn der auslaufende, unifarbene Randfries zu schmal berechnet wurde.

Die Erläuterungen zur ATV DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“, Auflage 2004 (Kaulen/Hahn/Baumann†) beschreiben u. a. sehr zutreffend: „Da verschiedene, textile Bodenbeläge als flexible Flächengebilde wegen ihrer besonderen Beschaffenheit unterschiedliche Verzüge aufweisen können, ist zu empfehlen, dass zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer hierüber eine Vereinbarung im Rahmen der zuvor genannten Werte zu treffen ist.“

In diesem Fall wäre es wichtig gewesen, dass sich die Planer und Designer nicht nur theoretisch mit den Grundrissen auseinander gesetzt hätten, sondern auch mit den praktischen Gegebenheiten. Idealerweise hätte eine Abstimmung mit dem Hersteller des Teppichbodens über die fertigungstechnischen Besonderheiten sowie ein Gespräch mit dem Bodenleger über die Grenzen seiner Möglichkeiten im Hinblick auf die Ausführung erfolgen müssen.

Genereller Musterfehler

Neben der zuvor beschriebenen Situation sahen sich Designer, Planer und Auftraggeber generell mit einem Musterfehler konfrontiert. Die Muster- und Rapportgrößen wurden vom Planer detailliert vorgegeben: Der regelmäßige Längsrapport war mit 18 cm und der gleich aussehende Breitenrapport mit 17,6 cm definiert. Die Aussparungen innerhalb der Parkettflächen der jeweiligen Zimmer wurden ausgemessen und für jedes Maß ein passender Teppich angefordert. Hierbei zeigte sich, dass der Wunsch, jeden Teppich mit einem umlaufenden unifarbenen Randfries von im Mittel 6 cm Breite in die Parkettfläche einzupassen, nicht mit den millimetergenau vorgegebenen Maßen für Längen- und Breitenrapporte korrespondierte.

Für den Designer ist die individuelle Vermaßung jedes einzelnen Teppichs theoretisch problemlos möglich, indem die Rapporte in Millimeterschritten verändert werden. In der Praxis setzt die Fertigungstechnik Grenzen: Die gewebtenTeppiche wurden auf klassischen Jacquardwebstühlen hergestellt, die über ein Lochkartensystem gesteuert werden. Will der Weber dem Wunsch der Designer gerecht werden, müsste zur millimetergenauen, regelmäßigen Reduzierung einzelner Rapportlängen für jeden Teppich ein Lochkartensystem entwickelt und gestanzt werden. Im Hinblick auf die Herstellungskosten ein unverhältnismäßig hoher Aufwand, der praktisch nicht durchführbar ist. Zur Umsetzung der gewünschten Maße entschied sich daher der Hersteller, angrenzend zu den vier Schlüsselrapporten der rechteckigen, abgepassten Teppiche den Rapport individuell zu kürzen, ohne das eigentliche Muster im Hinblick auf Längs- und Querstreifen zu verändern (Bild 3 und 5).

Gesamtbild ist entscheidend

Die Situation – des Unterschieds zwischen bestellter und gelieferter Musterung – führte zur Beanstandung und zur gutachtlichen Bewertung. Unter Beachtung des in den Erläuterungen zur DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ beschriebenen Grundsatzes „Die Unzulässigkeit von Musterabweichungen ist nur dann gegeben, wenn diese auffallend störend aus dem Gesamtbild des Belages heraustreten und dieses dadurch erheblich beeinträchtigt wird“ – konnte das Erscheinungsbild vor Ort jedoch als unauffällig beschrieben werden, was die Rapportgestaltung angeht (Bild 6 und 8).

DIN CEN/TC 14159

Die Vornorm DIN CEN/TC 14159, Ausgabe 2005-03 „Textile Bodenbeläge – Anforderungen an Toleranzen der (linearen) Maße von abgepassten Teppichen, Läufern, Teppichfliesen und Teppich-Auslegeware und des Musterrapports; Deutsche Fassung CEN/TS 14159:2004 beschreibt zum Beispiel im Anlieferungszustand bei gewebten Teppichen eine zulässige Bogigkeit/Querbogenverzug) bei Nennmaßen im Mittel > 200 cm von im Mittel < 30 mm.

Die Bogigkeit in Längsrichtung (Längsbogenverzug) wurde im Anlieferungszustand bei einer Nennlänge von 200 cm mit < 10 mm Toleranz definiert und der Schrägverzug über die Bahnenbreite gehend mit 1 % zur Breite bzw. maximal 1 cm je Meter Rollenbreite.

Hinzu kommt, dass gemäß der Normschrift die Rapportlänge bei Rapporten zwischen 10 cm und < 100 cm und im Mittel < 1 % des Rapportes differieren darf.

DIN 18 202

Die DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe Oktober 2005 beschreibt die Grenzwerte für Winkelabweichungen bei vertikal und horizontal sowie geneigten Flächen bei Nennmaßen über 3 m bis 6 m mit 12 mm.

Fazit

Die ausreichende Planung beziehungsweise die Berücksichtigung eines auslaufenden, unifarbenen Randfrieses, der mindestens so breit wie der gemusterte Fries selbst sein sollte, hätte in diesem Fall sicher vorteilhaft als „Ausgleichspuffer“ gewirkt.

Herstellungstechnisch ist festzustellen, dass moderne Jacquardwebstühle heute nicht mehr über aufwändige Lochkartensysteme, sondern computerunterstützt elektronisch gesteuert werden, sodass auch Individuallösungen hinsichtlich der Abmaße und Rapportveränderungen einfacher möglich werden. Auch der Teppichbodenhersteller in diesem Fall hat mittlerweile eine Umstellung der Anlagen vollzogen.

Verlegetechnisch ist zu bemerken, dass der Bodenleger sein Bestes gegeben hat: Die hier dargestellten Fotos zeigen tatsächlich nur Einzelfälle der ansonsten mit viel Mühe eingepassten und verlegten abgepassten Teppiche.