Musterfläche schützt vor Streitigkeiten

Vorbeugende Maßnahmen zur Risikominimierung

Gerichtliche oder außergerichtliche Auseinandersetzungen über das optische Erscheinungsbild von Fußbodenflächen nehmen nach wie vor zu. Handelt es sich dann noch um Großobjekte, in denen zum Teil mehrere Tausend Quadratmeter pauschal bemängelt werden, wird deutlich, dass hier Präventiv-Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen werden müssen. Beispielsweise durch die Festlegung von Referenzflächen wie im folgenden Fall.

Vereinbarung von Grenzmustern

Vor allem im Bereich großer Farbflächen wie Putze, Fassadenverkleidungen oder Anstriche hat sich die Vereinbarung von so genannten Grenzmustern bewährt. Hierbei werden dem Auftraggeber mehrere Musterflächen zur Verfügung gestellt und anhand einer Auswahl mögliche Toleranzen festgelegt. Die tatsächliche Ausführung der Arbeiten muss sich dann innerhalb dieser Grenzmuster bewegen. Bei Bodenbelagarbeiten empfehlen sich Grenzmuster insbesondere, um unvermeidliche Farbabweichungen zu definieren, aber auch wenn es um das optische Erscheinungsbild von Fußbodenflächen geht, können vorher vereinbarte Toleranzen spätere Streitigkeiten verhindern. Das Anlegen von Referenzflächen oder Grenzmustern ist als besondere Leistung zu vergüten.

  • In den Erläuterungen zu DIN 18 365 heißt es hierzu unter Abschnitt 0.2.11: „Oberflächeneffekte, nach Grundfarben und Musterung, können bei Proben gegenüber der Lieferung und Verlegung, chargenbedingt differieren. Werden genau ausgesuchte und dementsprechend präzisierte Farb- und Mustereffekte verlangt, sind hierüber im Leistungsverzeichnis zweifelsfrei Angaben erforderlich.“
  • Fliesen auf Doppelboden

    Knapp dreieinhalbtausend Quadratmeter selbstliegender Teppichfliesen mit einer schlingen- beziehungsweise ripsartigen Oberfläche wurden wegen ihres „unsauberen Fugenbildes“ bemängelt. Die anthrazitfarbenden Fliesen im Format 50 x 50 Zentimeter wurden richtungsgleich auf Doppelbodenplatten verlegt/fixiert. Die Architektur des Verwaltungsgebäudes zeigt in den mit Glaswänden abgetrennten Büroeinheiten ein insgesamt lichtdurchflutetes Erscheinungsbild.

    Bei Gegenlichtbetrachtung markieren sich die Stoßkanten der Fliesen
    Bei Gegenlichtbetrachtung markieren sich die Stoßkanten der Fliesen

    Im Detail erscheinen die Markierungen noch deutliche
    Im Detail erscheinen die Markierungen noch deutliche

    Die Fliesenkante zeigt ein unregelmäßiges Bild des schlinge-/ripsartigen Flors
    Die Fliesenkante zeigt ein unregelmäßiges Bild des schlinge-/ripsartigen Flors


    Innerhalb der Bodenbelagebene markieren sich insbesondere bei Betrachtung unter Schräg- und Gegenlichteinwirkung die quer zum Lichteinfall verlaufenden Stöße der Teppichfliesen. Bei einer Betrachtung mit dem Lichteinfall sind keine auffälligen Markierungen sichtbar. Eine Überprüfung des Fugenbildes zeigte, dass einerseits Polmaterial an den Schnittkanten überlappend die Stoßkante überdeckt und andererseits diese sichtbar freigab, obwohl in beiden Fällen die Schwerbeschichtung der Fliesenrückseiten bündig zusammenstößt.

    Ungünstige Konstellation

    Die bemängelten und tatsächlich vorgefundenen Erscheinungsbilder lassen sich auf eine ungünstige Konstellation verschiedener Einflussfaktoren zurückführen. Als relevant kann das besondere Konstruktionsmerkmal der ripsartig strukturierten Teppichfliese, der Farbton des Fasermaterials – der durch Reflektion Schattierungseffekte deutlich begünstigt, sowie die besonders offene Architektur des Gebäudes angesehen werden. Bei den festgestellten Unregelmäßigkeiten entlang der Kanten der Teppichbodenfliesen handelt es sich um ein unschönes, aber dennoch produktspezifisches Merkmal, das sich als „warentypische Eigenschaft“ darstellt.

    Diese „warentypische Eigenschaft“ ist darin begründet, dass sich Erscheinungsbilder der beschriebenen Art produktions- und verlegetechnisch nicht ohne Weiteres verhindern lassen. Beim Konfektionieren der Teppichbodenfliesen auf die Flächengröße 50 x 50 Zentimeter ist es nicht möglich, den Schnitt auf 1/10tel Millimeter exakt entlang einer Polnoppenreihe zu führen, zumal das textile, unbeschichtete Flächengebilde erfahrungsgemäß Verzüge aufweist, die vor beziehungsweise während des Beschichtungsvorgangs nicht absolut rechtwinklig ausgerichtet werden können. Das An- oder Abschneiden von Polnoppenreihen während der Produktion kann also nicht verhindert werden.

    Gewisse Toleranzen an die Maße und Ausführung fertiger Teppichbodenfliesen werden auch in der DIN EN 1307 „Textile Bodenbeläge; Einstufung von Polteppichen“ definiert. Im vorliegenden Fall konnten die überprüften Fliesen als normgerecht bezeichnet werden.

    Warentypische Eigenschaft

    In den Erläuterungen zur DIN 18 365 Bodenbelagarbeiten heißt es: „Eine warentypische Eigenschaft ist kein Mangel, sondern eine unbeeinflussbare Eigenschaft, die produktionsbedingt ist und aufgrund der Herstellungstechnik, Warenkonstruktion und Materialzusammensetzung entsteht.“

    Um das Streitpotential zu minimieren, das in der Aussage zu warentypischen Eigenschaften zweifelsfrei gegeben ist, sind klare vertragliche und für beide Vertragsparteien nachvollziehbare Festlegungen erforderlich. In der Praxis sollte sich der Verleger daher auch seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht bewusst sein.

    DIN EN 1307

    Zusatzanforderungen für Polteppich-Fliesen sind in der DIN EN 1307 „Textile Bodenbeläge; Einstufung von Polteppichen“ im Anhang A beschrieben. Der Maßbeständigkeit und dem Liegeverhalten kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

    Gemäß DIN EN 1307 handelt es sich bei lose auslegbaren Fliesen um solche, die von Hand leicht entfernt werden können und ein Flächengewicht von = 3,5 kg/qm aufweisen.

    Musterflächen

    Auch in der Musterfläche zeichneten sich die Stoßkanten deutlich ab
    Auch in der Musterfläche zeichneten sich die Stoßkanten deutlich ab
    Bemerkenswert: Auch in einer Parkettfläche markierten sich die Stöße
    Bemerkenswert: Auch in einer Parkettfläche markierten sich die Stöße

    Die Labor-Aufnahme verdeutlicht die Wirkung des Lichteinfalls
    Die Labor-Aufnahme verdeutlicht die Wirkung des Lichteinfalls


    Trotz „warentypischer Eigenschaften“ und der ungünstigen Konstellation verschiedener Einflussfaktoren hätte sich der Auftragnehmer den Vorwurf gefallen lassen müssen, seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen zu sein. Im vorliegenden Fall wurden im Rahmen der Bemusterung Referenzflächen angelegt, nach denen der Auftraggeber und der Architekt ihre Entscheidung trafen. Die repräsentativen Musterflächen, die während der Begutachtung noch vorhanden waren, zeigten die gleichen Erscheinungsbilder wie die restlichen Bereiche und konnten somit als Beleg für die ordnungsgemäße Lieferung und Ausführung angeführt werden.

    Bauherren, Auftraggeber und insbesondere Architekten wählen bei Hohlraumböden, die häufig kombiniert mit Doppelbodentrassen geplant werden, gerne einen textilen Bodenbelag, der dann einerseits aus Bahnenware besteht und andererseits für die Doppelbodentrassen aus lose legbarem Fliesenmaterial.

    Nicht selten steht die Forderung oder der Wunsch unausgesprochen im Raum, dass die Teppichbodenflächen aus Fliesen aussehen sollen wie die Teppichbodenflächen aus Bahnenware.

    Hier ist der Leitsatz zu beachten, dass bei der Herstellung von Teppichbodenflächen, die sich aus Fliesen zusammensetzen, immer eine Fliesenoptik zu erwarten ist, wenngleich von Fall zu Fall einerseits objektbezogen und andererseits produktbezogen textile Flächengebilde aus Teppichbodenfliesen den Anschein erwecken können, als wäre Bahnenware verlegt.

    Das Versprechen oder die Forderung, dass Teppichbodenfliesen innerhalb einer Fläche aussehen sollen wie Teppichbodenbahnen, kann nicht erfüllt werden, da im Regelfall die Lichtverhältnisse später bei gebrauchsüblicher Nutzung nicht vorhersehbar sind.