Winkeltoleranzen sind zu beachten

Nicht rechtwinklige Grundflächen bergen Streitpotential

Zwei gern zitierte, aber immer wieder falsch interpretierte Aussagen, die der DIN 18 356 „Parkettarbeiten“ und der DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ zugeschrieben werden, heißen:

„Die Verlegerichtung des Bodenbelags bleibt dem Auftragnehmer überlassen.“ Und: „Die Überprüfung der Winkeltoleranz der Untergrundoberfläche obliegt nicht dem Bodenleger.“ Fakt ist, dass Parkett- und Bodenleger bei der Bestimmung der Verlegerichtung gar nicht umhinkommen die Winkligkeit einer Fläche zu prüfen. Außerdem sind sie in beiden Punkten gut beraten, genaue Absprachen mit ihrem Auftraggeber zu treffen und bei „Unklarheiten“ Bedenken anzumelden.

Parkett im Dachgeschoss

Was es in der Praxis bedeuten kann, eigenmächtige Entscheidungen zu treffen, zeigt der aktuelle Fall:

Im Dachgeschoss einer Wohnung über zwei Etagen wurde Stabparkett verlegt. Die Verlegerichtung erfolgte parallel zur stahlumfassten Kante des Treppenausschnittes, über den man das Dachgeschoss betritt.

Bei gebrauchsüblicher Betrachtung der Parkettfläche aus dem Blickwinkel, der sich beim Betreten der Fläche über die Treppe ergibt, zeigt das Parkett ein optisch einwandfreies Erscheinungsbild (Bild 1).

Bild 1
Bild 1


Auch aus entgegengesetzter Blickrichtung ist die Optik der Parkettfläche nicht zu beanstanden.

Die Parkettfläche des Dachgeschosses wird gegenüber des Treppenausschnittes zum Teil von einer farbig gestalteten und möblierten Wand begrenzt, die einen Sanitärbereich abteilt.

Bei detaillierter Betrachtung der Anarbeitung der Parkettstäbe an diese Wand war feststellbar, dass keine Parallelität vorliegt. Vielmehr zeigt sich der Verlauf der Parkettstäbe „keilförmig“ im spitzen Winkel zur Wand. Zur Verdeutlichung wurde der Fugenverlauf mit einem Laser markiert (Bild 2).

Bild 2
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Im zweiten Schritt wurde mit einem speziellen Winkellaser überprüft, ob die Wand, die den Wohnbereich vom Sanitärbereich trennt, im rechten Winkel zur Außenwand der Terrassenseite steht (Bilder 3 – 4).

 

Bild 3
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Bild 4
Bild 4


Hierbei zeigte sich, dass entsprechend der Gesamtlänge des Raums von 6,23 m die Trennwand eine Winkelabweichung von rund 10 mm aufweist. Unter Berücksichtigung der Grenzwerte für Winkelabweichungen entsprechend der Tabelle 2 der DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, liegt diese innerhalb der Toleranz.

 

Zwischen einem Nennmaß von 6 bis 15 m ist die Toleranz der Winkelabweichung auf 16 mm begrenzt. Im Vergleich hierzu zeigt sich mit Beachtung des Fugenverlaufes der keramischen Platten innerhalb des Sanitärbereiches ein „schiefwinkeliger“ Verlauf in der Verlegerichtung der Parkettstäbe: Auf einer Messstrecke von 238,5 cm beträgt die Winkelabweichung rund 11 cm (Bild 5).

 

Bild 5
Bild 5

Die Überprüfung des Treppenausschnittes hinsichtlich seiner Rechtwinkligkeit ergab, dass dieser entsprechend der Länge der Messtrecke von 1,75 m eine Winkelabweichung von 8 cm aufweist – also nicht im Rechtenwinkel ausgeführt wurde (Bilder 6 – 7).

Bild 6
Bild 6
Bild 7
Bild 7


Die Überprüfung der Parallelität des Verlaufs der Trennwand zum Verlauf der vorderen Kante des Treppenausschnittes zeigte, dass entlang des Treppenausschnittes auf einer Länge von 2,14 m eine Winkelabweichung von 10,2 cm vorliegt (Bilder 8 – 9).

 

Bild 8
Bild 8
Bild 9
Bild 9


Gemäß der Grenzwerte für Winkelabweichungen entsprechend der DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“ wäre auf einer Messstrecke beziehungsweise einem Nennmaß über 1 und bis 3 m nur eine Winkelabweichung von 8 mm zulässig.

Beurteilung

Die messtechnische Überprüfung der Rechtwinkligkeit des Treppenausschnittes im Verhältnis zum Verlauf der Trennwand und im gesamten Grundriss des Raumes zeigt, dass die Grenzwerte für Winkelabweichungen entsprechend der DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“ nicht eingehalten wurden.

Nach allen vorliegenden Messwerten ist davon auszugehen, dass der Treppenausschnitt bereits im Rohbau nicht rechtwinklig hergestellt wurde.

Somit ergibt sich zwangsläufig das Problem, dass die Parkettstäbe nicht parallel zwischen den sich gegenüberliegenden Begrenzungen – des Treppenausschnittes und der Trennwand – verlegt werden können.

Fachlich nachvollziehbar wäre es, wenn der Verleger die im Grundriss des Raumes rechtwinklig gestellte Trennwand als „Anschlagkante“ für die Parkettverlegung gewählt hätte. Das „optische“ Ergebnis – im Bereich des Treppenausschnitts – hätte aber ebenso zur Reklamation geführt.

Selbst bei einer Mittelung der Verlegerichtung hätte es sowohl am Treppenausschnitt als auch am Verlauf der Trennwand eine optisch nicht zufriedenstellende Winkligkeit des Fugenbildes gegeben.

Was sagen die Kommentare?

Während sich die aktuellen Kommentare zur DIN 18 356 „Parkettarbeiten“ ausführlich mit dem Thema Ebenheitstoleranzen auseinandersetzten, wird in „Kommentar und Erläuterungen VOB DIN 18 365 – Bodenbelagarbeiten“ auch ausführlich das Thema Winkeltoleranzen behandelt.

  • Hier heißt es sinngemäß: „Bei geringfügigen Abweichungen der Räume vom Rechteck – beispielsweise durch eine ungenaue Ausführung des Mauerwerks oder des Putzes oder nicht gleichmäßig breite Flure – kann es zu asymmetrischen Musterverläufen kommen, die als hinzunehmende Unregelmäßigkeiten nicht vermeidbar sind.“
  • Es wird allerdings klargestellt: „Eine Prüfung der Winkeltoleranzen erfolgt nur dann, wenn die Abweichung vom Winkel bei der Prüfung nach Augenschein durch den Bodenleger auffällig hervortritt und damit erkennbar wird. In so einem Fall sind vom Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber Bedenken geltend zu machen und ist zu prüfen.“
Fazit

Im vorliegenden Fall hat der Verleger gestalterisch nachvollziehbar bewusst den schiefen Winkel des Treppenausschnittes als „Anschlagkante“ gewählt. Denn nur so ist ein optisch einwandfreies Erscheinungsbild – bei gebrauchsüblicher Betrachtung – gewährleistet.

Aus fachtechnischer Sicht hätte der Verleger jedoch gegenüber seinem Auftraggeber Bedenken anmelden müssen, um eine auftraggeberseitige Entscheidung für die Verlegerichtung beziehungsweise „Anschlagseite“ zu erhalten.

Für die Praxis bedeutet dies, dass allein schon bei der Bestimmung der Verlegerichtung oder dem Ausrichten des Muster- oder Fugenverlaufs von Bodenbelägen die Winkeltoleranzen der Fläche zu beachten und somit zu überprüfen sind.

Werden Abweichungen festgestellt – auch wenn diese nach DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“ innerhalb der Toleranz liegen oder nur geringe optische Beeinträchtigungen zeigen – sind beim Auftraggeber Bedenken anzumelden.

Da sich an den Winkelabweichungen des Grundrisses meist nachträglich nichts mehr ändern lässt, sind dem Auftraggeber Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Als Kompromiss hätte in diesem Fall eine Diagonalverlegung vermutlich den besten optischen Eindruck hinterlassen.