Alles im Lot?

Nach aktueller DIN 18365, Ausgabe 2019, hat der Bodenleger eine Prüfpflicht der Winkel- und Ebenheitsabweichungen, obwohl die Experten der großen Fußboden-Verbände BEB und BVPF das im Detail anders sehen.

Eine kurze Mitteilung des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB) Ende Januar lässt aufhorchen. Darin weist der BEB-Arbeitskreis Sachverständige darauf hin, dass die Übertragung der bauseits vorgegebenen Höhenbezugspunkte/Meterrisse in den jeweiligen Ausführungsbereich der Estricharbeiten ausschließlich im Verantwortungsbereich des Estrichlegers liegt. Und: „Für den Boden-, Parkett-, Fliesen-, Natur- und/oder Betonwerksteinleger besteht keine Prüfpflicht für die Höhenlage des Estrichs in Bezug auf den vorgegebenen Höhenbezugspunkt/Meterriss.“ Als weiterführende Erklärung heißt es unter anderem, dass aufgrund des Baufortschrittes und gegebenenfalls bereits erfolgter Malerarbeiten die vom Estrichleger übertragenen Hilfshöhenpunkte oftmals bereits überdeckt und damit nicht mehr vorhanden und prüfbar sind.

Der BEB weist zudem darauf hin, dass vom Planer die erforderlichen Aufbauhöhen für den jeweils zu verlegenden Bodenbelag bei der Festlegung der Estrichhöhen und der Montagehöhen von Einbauteilen zu berücksichtigen sind. Und: „Alle anderen für die oben genannten, den jeweiligen Bodenbelag verlegenden Gewerke gültigen Prüfpflichten bleiben davon unberührt.“

Um was geht es genau?

Anlass für diese BEB-Stellungnahme war ein Einwand des Bundesverbands Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) zum BEB-Arbeitsblatt 9.2 „Hinweise zur Festlegung und Beurteilung zulässiger Maß- und Ebenheitsabweichungen im Fußbodenbau außerhalb DIN 18202“, Stand Januar 2023. Der BVPF monierte, dass aus dem Punkt 2.2 „Übertragung von Höhenbezugspunkten/Meterrissen“ des Arbeitsblattes eine zusätzliche Prüfpflicht für das jeweilige den Bodenbelag verlegende Gewerk interpretiert werden könne.

Dies entkräftet der BEB mit seiner Stellungnahme, die aber im Kern noch eine andere Botschaft enthält: Wenn für den Bodenleger keine Prüfpflicht der Höhenlage des Estrichs besteht, kann und muss er auch die Winkelabweichungen der Neigung des Estrichs nicht bestimmen. Denn nach DIN 18202 ist zu deren Beurteilung das Stichmaß zur Waagerechten (Meterriss) an den Ecken eines Bauteiles maßgebend.

Diese Erkenntnis vertreten die Parkettleger schon immer und führen dazu im Kommentar zur DIN 18356 „Parkett- und Holzpflasterarbeiten“ auf dem Stand der VOB 2019 unter anderem aus: „Da die Einhaltung der Winkeltoleranzen bereits bei der Herstellung des Unterbodens zu prüfen ist und der Unterboden, in aller Regel ein schwimmender oder sonstiger Estrich, gleichmäßig dick herzustellen ist, entfällt eine Prüfverpflichtung des Auftragnehmers für Parkettarbeiten hinsichtlich der Winkeltoleranzen; es sei denn, er ist selbst auch Hersteller des Untergrundes. Lediglich bei ohne technische Hilfsmittel auffälligen Abweichungen müssen entsprechende Bedenken vorgetragen werden.“

HÖHENLAGE
Nach DIN 18365 besteht eine Prüfpflicht der Winkelabweichungen in Bezug auf die Höhenlage, auch wenn Experten der Meinung sind, dass dies nicht zwingend erforderlich ist und geändert werden sollte.

Gilt das auch für Bodenbelagarbeiten?

Über Jahrzehnte hieß es in der DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“ sowie in der DIN 18356 „Parkettarbeiten“ nahezu wortgleich im Punkt 3.1.1 unter anderem: „Der Auftragnehmer hat bei seiner Prüfung Bedenken insbesondere geltend zu machen bei […] größeren Unebenheiten“. Während in der DIN 18356 diese Aussage bis heute gleichgeblieben ist, wurde in der Ausgabe 8/2015 der DIN 18365 im Punkt 3.1.1 folgende Änderung vorgenommen: „Als Bedenken […] können insbesondere in Betracht kommen: größere Winkel- und Ebenheitsabweichungen des Untergrundes als nach DIN 18202 Toleranzen im Hochbau – Bauwerke zulässig.“

Im verbändeübergreifenden Kommentar zur DIN 18365 Bodenbelagarbeiten, 2017, heißt es zu diesem Punkt: „Grundsätzlich sind diese Abweichungen nur dort zu kontrollieren, wo dies aufgrund der funktionalen Anforderungen sinnvoll oder aufgrund konkreter Beanstandungen notwendig erscheint.“ Weiter heißt es zum Punkt 3.2 Maßtoleranzen: „Die Beurteilung der Oberfläche des Unterbodens auf Ebenheit wird durch den Auftragnehmer im Allgemeinen im Rahmen einer Sichtprüfung in aufrecht stehender Haltung vorgenommen. Dabei sind auffällig hervortretende, unebene Stellen zu prüfen. Ergeben sich bei der Sichtprüfung Zweifel, sollten sicherheitshalber durch den Auftragnehmer stichprobenweise Einzelmessungen durchgeführt werden. Werden auch dabei keine Überschreitungen festgestellt, ist der Auftragnehmer im ausreichenden Umfang seiner Prüfpflicht nachgekommen.“

Und weiter: „Darüber hinaus kann der Auftragnehmer davon ausgehen, dass der Untergrund durch den Vorunternehmer fach- und normgerecht hergestellt und vom Auftraggeber beziehungsweise dessen Bevollmächtigten/Architekten als beanstandungsfrei abgenommen wurde.“ Der Kommentar zur DIN 18356 wird sogar noch deutlicher und vertritt die Meinung, dass die Planung (der Auftraggeber) dafür verantwortlich ist, dem Auftragnehmer mitzuteilen, wo gegebenenfalls kritische Stellen vorliegen, die besonders zu beachten sind. Als Beispiel werden Schiebetüren oder die Schwenkbereiche von Türen genannt oder aber auch die Schnittstelle zwischen starren Sockelleisten und der Oberkante des Fußbodens.

Muss dennoch geprüft werden?

Auch wenn nach allen vorliegenden Erkenntnissen der Experten – sowohl für Parkett- als auch für Bodenleger – keine Prüfpflicht der Winkelabweichungen in Bezug auf die Höhenlage besteht, ist diese nach wie vor in der gültigen Fassung der DIN 18365, Ausgabe 9.2019, fest verankert und demnach für alle Bodenbelagarbeiten verbindlich. Es besteht also dringender Handlungsbedarf im Normenausschuss zur DIN 18365, diese Prüfpflicht wieder zu löschen. Gleichzeitig müssen auch Merk- und Hinweisblätter sowie Verlegeanleitungen und Kommentierungen dahingehend korrigiert und konkretisiert werden.

RECHTWINKLIGKEIT
Die Winkelabweichungen der Wände zueinander sind immer zu prüfen, um die Parallelität des Musterverlaufs oder des Fugenbildes zu gewährleisten.

Wissenswertes

Neben den Kommentaren zur DIN 18356 „Parkettarbeiten“ und zur DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“ lohnt immer auch ein Blick in den Kommentar zur DIN 18202. Zur jüngsten Fassung der DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe 7/2019, ist im Jahr 2021 die Kommentierung des ausgewiesenen Experten Ralf Ertl erschienen. Das Fachbuch gibt nicht nur Tipps zum richtigen Messen von Maßabweichungen, es stellt auch deutlich heraus, was die Norm nicht erfasst, geht auf Anwendungsgrenzen ein und beleuchtet die Erwartungen und Akzeptanz des Bestellers. Da die DIN 18202 bei nahezu allen Arbeiten des Raumausstatters von Bedeutung ist, sollten den Kauf nicht nur Boden- und Parkettleger erwägen. Verlag Rudolf Müller, ISBN 978-3-481-03701-7

Fazit

Aus der DIN 18365 muss die Prüfpflicht der Winkelabweichungen in Bezug auf die Höhenlage und Neigung des Estrichs gelöscht werden. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung des Boden- und Parkettlegers, die (Recht)winkligkeit der Wände zueinander zu prüfen – insbesondere, wenn rastergemusterte Bodenbeläge verlegt werden. Dies können sowohl textile und elastische Bodenbeläge sein, aber auch alle Bodenbelagselemente wie LVT, Parkett oder Laminat. Durch den rechtwinkligen Verlauf des Musters oder der Elementfugen kann bei nicht rechtwinklig zueinanderstehenden Raumwänden die Parallelität des Musters/der Fugen nicht zu allen Wänden hergestellt werden. In diesem Fall sind mit dem Auftraggeber Lösungsmöglichkeiten abzustimmen. Dies könnte zum Beispiel bedeuten, das Muster/die Elemente parallel zu einer ins Auge fallenden Wand auszurichten oder mit einem Randfries zu arbeiten, der die Winkeltoleranz optisch kaschiert.