Unikat oder unzulässig?

Mineralische Sichtspachtelböden zeichnen sich unter anderem durch ihr individuelles Design aus, unterliegen aber dennoch gewissen Mindestanforderungen – gerade auch was das optische Erscheinungsbild angeht.

Mit Aussagen wie „exklusiver Unikatboden“, „individueller Industrie-Look“ oder „grenzenlose Designmöglichkeiten“ werden mineralische Spachtelböden angepriesen.

Im Gegensatz zu einem industriell (vor)gefertigten Bodenbelag, der – wenn er aus einer Produktionscharge kommt – immer gleich aussieht, sind Spachtelböden Einzelstücke. Abhängig vom vorliegenden Untergrund, dem Mischungsverhältnis, der Auftragstechnik oder der Versiegelung verändert sich das Erscheinungsbild – auch wenn man das gleiche Produkt einsetzt.

INDIVIDUELLE OPTIK
Ein mineralischer Spachtelboden wird in Farbe und Struktur nie ganz gleichmäßig aussehen, dennoch muss er gewisse optische, aber auch technische Anforderungen erfüllen.

Das kann ein Vorteil sein, wenn man auf einer Fläche seinem Kunden etwas ganz Besonderes und eben Einzigartiges verkaufen möchte. Es kann aber auch schnell zur Bürde werden, wenn man beispielsweise in mehreren Räumen einer Wohnung einen Spachtelboden aufbringen muss, der dann insgesamt eine gleichmäßige Optik aufweisen soll. Die Reproduzierbarkeit des Erscheinungsbildes hat nämlich Grenzen. Allerdings gilt es, auch bei der Anfertigung mineralischer Sichtspachtelböden gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen, die letztlich auch Auswirkung auf die Optik haben können.

DIN 18365 gibt die Richtung vor

Für die Erstellung dekorativer Spachtelböden gibt die DIN 18365 „Bodenbelagsarbeiten“ in vielen Punkten Orientierung. So muss der Untergrund – genau wie für alle anderen Belagsverlegungen – verlegereif sein, also unter anderem eben, tragfähig und natürlich gleichmäßig trocken. Denn eine zu hohe Estrichfeuchte kann nicht nur Haftungsprobleme verursachen, sondern auch in der fertigen Fläche zu Farbunterschieden führen.

GLEICHMÄSSIGKEIT
Ein mineralischer Spachtelboden muss in gleichmäßiger Schichtdicke und somit vollflächig aufgebracht werden. Fehlstellen – wie hier zu sehen – sind unzulässig.

Wie immer gilt es auch bei dieser Belagsgattung, die Vorgaben des Herstellers zu beachten. Diese formulieren gelegentlich Grenzwerte für die Oberflächenzugfestigkeit. Eine Überprüfung kann aufwendig sein und ist in jedem Fall eine Besondere Leistung. Selbstverständlich sind hingegen alle Vorgaben bei der Verlegung auf Fußbodenheizung zu beachten, hier hilft wie immer ein Blick in die Schnittstellenkoordination (www.flaechenheizung.de).

Fugen einplanen

Nicht nur bei der Verlegung auf beheizten, sondern auch auf unbeheizten schwimmenden Estrichen (oder anderen Konstruktionsarten) ist darauf zu achten, dass Bewegungsfugen im Estrich in den Spachtelboden übernommen werden. Dies gilt für Fugen zwischen Gebäudeteilen sowie auch bei Scheinfugen in Türlaibungen ebenso wie für solche zwischen unterschiedlichen Heizkreisen oder Randfugen bei schwimmenden Estrichen. Das für Spachtelböden gern verwendete Versprechen, einen fugenlosen Boden zu erstellen, kann vom Kunden falsch verstanden werden: Hier ist Aufklärung erforderlich!

FUGEN
Bewegungsfugen auch im Randbereich von schwimmenden Estrichen müssen in den Spachtelboden übernommen werden, da es sonst zu Beschädigungen kommt.

Gleichmäßiger Auftrag

Neben der Verarbeitungstechnik – welches Werkzeug setze ich ein, wie verteile ich die Masse – kann auch die Auftragsmenge Einfluss auf das optische Erscheinungsbild des fertigen Bodens haben. Unterschiedliche Schichtdicken können sich farblich unterscheiden. Daher kann es sinnvoll sein, größere Unebenheiten der Estrichoberfläche in einem ersten Arbeitsgang auszugleichen und dann erst – nach der vollständigen Trocknung der Ausgleichsschicht – in einem weiteren Arbeitsgang den dekorativen Spachtelboden aufzubringen.

STRUKTUR
Auch die Struktur der Oberfläche muss homogen wirken, punktuelle Fehlstellen sind nicht nur störend, sondern auch nicht fachgerecht.

Perfektes Finish

Die meisten mineralischen Spachtelböden benötigen vor der Nutzung einen Oberflächenschutz – bitte hierzu die Herstellervorgaben beachten! Gebräuchlich sind Imprägnierungen, Beschichtungen oder Versiegelungen, die in unterschiedlichen Techniken aufgebracht werden. Auf den gewählten Oberflächenschutz sind auch die späteren Reinigungs- und Pflegemaßnahmen abzustimmen. Diese sollten zudem eine gewisse Rutschsicherheit beim Begehen gewährleisten. Empfehlenswert ist der Einsatz von Bodenschutzmatten unter Stühlen mit Rollen, einige Spachtelbodenanbieter machen hierzu Vorgaben ebenso wie zur Verwendung von bestimmten Gleitern unter den Aufstandsflächen von Möbeln. Eine ausreichend groß dimensionierte Schmutzschleuse ist für alle Belagsarten empfehlenswert.

Ansichtssache?

Werden die genannten Punkte, die ausführlich in verschiedenen Merkblättern beschrieben werden (siehe „Wissenswertes“), beachtet, kann ein Spachtelboden einwandfrei eingebaut werden. Gibt es dennoch Klärungsbedarf über das rein optische Erscheinungsbild, erfolgt die Beurteilung immer in einer gebrauchsüblichen Betrachtungsweise. Größere Unregelmäßigen beispielsweise in Farbe, Struktur oder Porigkeit sind auch bei einem Spachtelboden unzulässig und sollten nicht mit dem Argument, dass es sich ja um ein Unikat handelt, gerechtfertigt werden.

Wissenswertes

Eine gute Grundlage zur Arbeit mit Spachtelböden geben unter anderem diese Merkblätter:
„Mineralische, dekorative Spachtelböden“ erstellt vom Fachbereich Bodenbeläge im Bundesverband der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung (BSR), Ausgabe Mai 2013
Bezug: www.bsr-sachverstaendige.de

BEB-Hinweisblatt „Designestriche – Hinweise zu Planung, Ausführung und Eigenschaften gestalteter mineralischer Fußböden“, Ausgabe Februar 2020

BEB-Hinweisblatt „Designestriche – Hinweise zum Schutz der Oberfläche sowie zur Reinigung und Pflege gestalteter mineralischer Fußböden“, Ausgabe Februar 2020

BEB-Hinweisblatt „Designestriche – Hinweise zur Beschreibung der Oberflächenqualität und zur Beurteilung der Ausführung gestalteter mineralischer Fußböden“, Ausgabe März 2020
Bezug: www.beb-online.de

Fazit

Mineralische Spachtelböden sind etwas für Individualisten, die sich darüber bewusst sind, dass der fertige Boden anders aussehen kann als im Katalog oder auf der Musterfläche im Verkaufsraum. Dennoch muss diese besondere Eigenschaft offen und verständlich kommuniziert werden, was Fingerspitzengefühl in der Beratung erfordert und auch eine gewisse Menschenkenntnis, denn nicht jeder Kunde ist für ein solches Produkt „geeignet“. Versierte Spachtelboden-Verleger können auch Toleranzvereinbarungen mit Kunden treffen, die beispielsweise an (großen) Musterplatten Farb- oder Strukturunterscheide eingrenzen. Besonders empfehlenswert ist dies in größeren Bauvorhaben, in denen auch Musterflächen angelegt werden können, die als Referenz für die Gesamtfläche dienen. Dieser erhöhte Aufwand muss kalkuliert werden und zeigt, dass ein Spachtelboden viel Know-how, von der Beratung bis zur Verlegung, verlangt.