Sisal-Teppichboden

Naturfaser-Teppichböden können aufgrund ihrer speziellen Herstellungsart eine andere Verarbeitungstechnik als beispielsweise Tuftingware erfordern. Die Herstellervorgaben sowie die der DIN 18365 sind zu beachten.

Überwiegend werden heute getuftete, gewebte oder genadelte textile Bodenbeläge aus Kunstfasern verkauft und verlegt, der Flor besteht dann beispielsweise aus Polyamid, Polyester oder Polypropylen. Seltener sind Bodenbeläge aus Naturfasern, bei denen man zwischen solchen aus tierischen Fasern, beispielsweise Schafwolle, Ziegenhaar und Seide, oder solchen aus Pflanzenfasern wie Kokos, Sisal, Jute, Hanf, Baumwolle oder Leinen unterscheidet. Häufig werden Naturfasern auch anders verarbeitet als Kunstfasern, was dann eine darauf abgestimmte Verlegetechnik verlangt. Neben den warentypischen Eigenschaften sind hierbei insbesondere die Vorgaben des Herstellers maßgeblich, ohne dabei die Grundlagen der DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten außen vorzulassen. Ein teilfiktives Beispiel.

Teils unschöne Nähte

In einem Wohnhaus wurde in drei Räumen ein vier Meter breiter, flachgewebter Sisal-Teppichboden mit Fischgrätmuster vollflächig verklebt. Bei den Räumen handelt es sich um ein Schlaf- und ein Ankleidezimmer mit Verbindungsflur. Die Bahnenaufteilung wurde durch den Bodenleger vermutlich unter Verschnittgesichtspunkten aufgrund des Grundrisses der Gesamtfläche vorgenommen. Diese sieht Längs- und Kopfnähte vor.

Im Schlafzimmer verbindet eine Längsnaht eine volle Bahnenbreite von 400 cm mit einem 23 cm breiten Streifen, der über die gesamte Raumlänge von 416 cm mit einer Kopfnaht „gestückelt“, also zusammengesetzt wurde. Der Sisal-Teppichboden des Verbindungsflures ist mit einer Kopfnaht an die Teppichfläche des Schlafzimmers angesetzt. Innerhalb des Türdurchganges zum Ankleidezimmer wurde in der Türlaibung, deckungsgleich zum Türblatt im geschlossenen Zustand, eine Längsnaht hergestellt. Während diese Längsnaht bei gebrauchsüblicher Betrachtung kaum zu erkennen ist, fallen die Längsnaht im Schlafzimmer ebenso wie die Kopfnähte dem Betrachter störend ins Auge. Bei beiden letztgenannten Nähten fransen die Sisalgarne des im Fischgrätmuster flachgewebten Teppichbodens „pinselartig“ aus.

ERSTER EINDRUCK
Ein Sisal-Teppichboden wurde in drei aneinandergrenzenden Räumen verlegt. Dabei hat der Bodenleger sowohl Längs- als auch Kopfnähte (Bild rechts) teilweise nicht fachgerecht ausgeführt.


Praktisch, aber nicht korrekt

Durch ein Gutachten sollte geklärt werden, ob die gewählte Bahnenaufteilung und die dadurch entstandenen Nähte fachgerecht sind und ob es möglicherweise eine alternative Verlegung gibt, bei der die Nähte weniger störend erscheinen. Zur Beurteilung – in diesem wie in jedem anderen Fall – helfen die Kenntnis der DIN 18365 Bodenbelagarbeiten sowie ein Blick in die Hersteller-Vorgaben.

IM DETAIL
Obwohl normativ sowie herstellerseits unzulässig, wurden Kopfnähte ausgeführt, die zudem in der Umsetzung beanstandungswürdig waren.

In der Norm heißt es im Punkt 3.4.5 unter anderem: „Kopfnähte sind nur bei Bahnenlängen über 5 m zulässig, wobei eine Ansatzlänge von 1 m nicht unterschritten werden darf.“ Der Kommentar zur DIN 18365, Ausgabe 2017, führt hierzu aus: „Bei Bahnenlängen über 5 m können Kopfnähte (quer zur Herstellungsrichtung verlaufende Nähte) ausgeführt werden. Die Länge der Ansatzbahn muss mindestens 1 m betragen. Es ist nicht zulässig, mehrere Kopfnähte hintereinander auszuführen, sofern die Fertigungslänge der Bahnen nicht unterschritten wird. Davon abweichende Ausführungen sind zu vereinbaren. Materialspezifische Eigenschaften der Bodenbeläge und Herstellervorgaben sind zu beachten.“ Die Verlegeanleitung des Anbieters führt sinngemäß aus: „Quernähte (Anm. Kopfnähte) sind bei den meisten Qualitäten nicht möglich.“

Unter Beachtung dieser Vorgaben und mit Blick auf den Grundriss und die Bahnenbreite kann problemlos eine Bahnenaufteilung gewählt werden, die keine Kopfnähte erfordert. Im vorliegenden Fall sind also die ausgeführten Kopfnähte unzulässig und zudem die Längsnähte zum Teil unfachmännisch ausgeführt. Dies deshalb, weil bei einem Sisal-Teppichboden die aneinandergrenzenden Schnittkanten der Längsnähte mit geeignetem, transparentem Nahtverfestiger fixiert werden müssen. Der Anbieter der verlegten Ware gibt dazu sinngemäß vor, dass „Kanten mit einem Anti-Ausfrans-Spray zu behandeln sind, um ein Ausfransen zu vermeiden.“

VERSCHNITTOPTIMIERTE VERLEGUNG
Um den Verschnitt möglichst gering zu halten, wurde – ohne Absprache mit dem Kunden – ein Reststück mit Kopfnaht gestückelt.


Komplettaustausch notwendig

Infolge der festgestellten Erscheinungsbilder und Sachverhalte besteht das Erfordernis zur vollständigen Beseitigung der Mängel und Schäden. Das bedeutet für den Bodenleger konkret, den verlegten Sisal-Teppichboden zurückzubauen und Neuware ohne Kopfnähte mit fachgerechter Nahtbearbeitung und optimierter Bahnenaufteilung zu verlegen. Der Austausch einer Teilfläche kann zu sichtbaren Farb- und gegebenenfalls Strukturunterschieden des Flachgewebes führen, da insbesondere Sisal-Teppichböden von Anfertigungscharge zu Anfertigungscharge einen Farbtonunterschied aufweisen. Zudem kann einwirkendes UV-Licht zu Farbveränderungen geführt haben.

EINWANDFREIE AUSFÜHRUNG
Eine Längsnaht exakt unterhalb des geschlossenen Türblatts innerhalb einer Türlaibung wurde handwerklich einwandfrei hergestellt.

Wissenswertes

Im verbändeübergreifenden Kommentar zur „DIN 18365 Bodenbelagarbeiten“, 2017, heißt es unter Punkt 3.4.10: „Bodenbeläge in Bahnen sind, soweit dafür geeignet, an den Kanten zu schneiden und stumpf zu stoßen.“ Und weiter: „Naturfaserbeläge (Sisal, Kokos etc.) und Beläge, welche im Flachwebverfahren hergestellt werden, bilden hierbei eine Ausnahme. Hier sind die Herstellerangaben besonders zu beachten.“

Im BEB-Kommentar zur „DIN 18365 Bodenbelagarbeiten“, 2010, heißt es unter Punkt 3.4.4: „Die Verlegerichtung des Bodenbelages bleibt dem Auftragnehmer überlassen.“ Und weiter: „Wenn keine abweichende Regelung getroffen wird beziehungsweise die Verlegerichtung im Leistungsverzeichnis vom Planer oder Auftraggeber nicht festgelegt ist, gilt Vorstehendes uneingeschränkt.“ Aber: „Wegen möglicher optischer Beeinträchtigungen und bei anspruchsvoller Raumgeometrie ist es sinnvoll, die Verlegerichtung vorher mit dem Auftraggeber abzustimmen.“

Fazit

Unabhängig von der Material- oder Belagsart sind bei der Planung von Verlegerichtung sowie Bahnen-/Elementaufteilung die gleichen Fragen zu beantworten: Gibt es normative Vorgaben? Gibt es Herstellervorgaben? Wie lassen sich diese Vorgaben mit der Bahnen-/Elementaufteilung im vorhandenen Grundriss koordinieren? Und: Hat der Kunde besondere Wünsche? Denn was nützt die fachlich einwandfreie Planung, wenn der Kunde damit nicht zufrieden ist? Letztlich sollten Sie mit Ihrem Kunden die Verlegeplanung immer absprechen und auf sinnvolle Sonderwünsche eingehen.

Im Einzelfall kann es dann sogar möglich sein, eine bewusste Abweichung von normativen oder Herstellervorgaben umzusetzen. Zum Beispiel aus Verschnittgründen im schmalen Ansatzstreifen (an nicht direkt einsehbarer Stelle) zwei Abschnitte mit einer Kopfnaht zu „stückeln“. In solchen Fällen ist diese Sonderausführung immer schriftlich im Auftrag zu fixieren.