Rutschhemmung

Die Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaften von bereits verlegten Bodenbelägen ist mit dem sogenannten R-Wert, der im Labor ermittelt wird, nicht direkt vergleichbar.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) gibt an, dass etwa 20 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle auf Stolpern, Stürzen und Ausrutschen zurückzuführen sind. Um das zu vermeiden, spielt die Beschaffenheit des Bodenbelages eine besondere Rolle. Dieser muss unabhängig vom Schuhwerk und auch bei Verunreinigungen oder Nässe eine gewisse Begehsicherheit gewährleisten.

Bis Ende 2021 definierte die DIN 51130 „Prüfung von Bodenbelägen – Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft – Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, Begehungsverfahren – Schiefe Ebene“ den sogenannten R-Wert – nicht zu verwechseln mit dem Wärmedurchlasswiderstand R.

Seit Dezember 2021 gilt die europäische Norm DIN EN 16165 „Bestimmung der Rutschhemmung von Fußböden – Ermittlungsverfahren“. Sie definiert – wie zuvor die DIN 51130 – insgesamt fünf R-Werte: angefangen bei R 9 für Innenbodenbeläge in allgemeinen, öffentlichen Bereichen (beispielsweise auch Büros) bis hin zu R 13 für Bodenbeläge in Schlachthöfen.

Rutschig trotz R 9?

Steigende Anforderungen an die Nutzungssicherheit eines Gebäudes haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass R-Werte nicht nur in Arbeitsbereichen, sondern auch für bestimmte Verkehrsflächen wie in Schulen oder Krankenhäusern, aber auch im Einzelhandel gefordert werden. In der Ausschreibung oder dem Auftrag heißt es dann beispielsweise, dass der zu liefernde Bodenbelag die Rutschhemmung R 9 erfüllen muss. Was aber, wenn R 9 geliefert wurde, der Auftraggeber aber die Rutschsicherheit infrage stellt? In unserem teilfiktiven Fall stellt sich genau diese Frage.

Der Besitzer eines Einzelhandelsgeschäfts hört von seinen Kunden wiederholt Klagen, dass der Eingangsbereich glatt sei und gerade auch bei Regenwetter die Gefahr des Ausrutschens bestünde. Er teilt diesen Eindruck und stellt die zugesicherte Eigenschaft „R 9“ des Belages infrage, der Fall landet vor Gericht, das im Beweisbeschluss unter anderem fragte, welche Rutschhemmstufe der verlegte Bodenbelag aufweist. Dem Gericht wurde daraufhin mitgeteilt, dass der R-Wert an einem verlegten Bodenbelag nicht bestimmt werden kann. Die Prüfung nach DIN EN 16165 (zuvor DIN 51130) kann nur im Labor erfolgen.

DIE SITUATION
Im Eingangsbereich eines Ladengeschäfts klagen die Kunden über einen rutschigen Boden. Dieser soll die zugesicherte Eigenschaft R 9 aufweisen, die sich jedoch an einem verlegten und genutzten Bodenbelag nicht überprüfen lässt.

Vereinfacht erklärt führt dabei eine Testperson einen Begehversuch durch, während sich die zu begehende Fläche langsam neigt. Der erreichte Winkel, bis zu dem die gesicherte Person ausgleitet, ist das Maß für die Gleitsicherheit. Beispielsweise 6° bis 10° für R 9 oder > 10° bis 19° für R 10. Eine vergleichbare Prüfung zur Feststellung des R-Wertes ist im Betriebszustand des Bodenbelages – also im Objekt verlegt und genutzt – nicht möglich.

Die DIN EN 16165 definiert im Anhang D für diesen Fall eine Tribometer-Prüfung, um einen sogenannten Gleitreibungskoeffizienten festzustellen. Die Auswertung erfolgt nach der DGUV-Informationsschrift 208-041 „Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen“, Ausgabe September 2019. Trotz des Hinweises des Sachverständigen, dass Gleitreibungskoeffizienten nicht in R-Werte umrechenbar sind, willigte das Gericht ein, dass eine Überprüfung im beschriebenen Verfahren vor Ort durchgeführt werden soll.

Ortstermin

Verlegt ist ein typischer Designbodenbelag im Plankenformat, der vollflächig verklebt wurde. Der Zugang zum Ladengeschäft erfolgt barrierefrei direkt vom frei bewitterten Außenbereich, der mit kleinformatigem Basalt-Pflaster ausgestattet ist. Auf Nachfrage wurde mitgeteilt, dass im Eingangsbereich eine circa 70 x 120 cm große Schmutzfangmatte ausliegen soll, die zum Zeitpunkt des Ortstermins nicht vorhanden war.

Zur Bestimmung der Gleitreibungskoeffizienten wurde das den normativen Anforderungen entsprechende Messgerät GMG-200 eingesetzt. Den Vorgaben entsprechend wurden je fünf Messungen in Längs- und Querrichtung des Belages jeweils trocken und befeuchtet durchgeführt. Die Mittelwerte ergaben Gleitreibungskoeffizienten von 0,42 μ (längs trocken), 0,48 μ (quer trocken) sowie 0,43 μ (längs nass), 0,49 μ (quer nass).

VORORT-PRÜFUNG
Mit einer Tribometer-Prüfung können Gleitreibungskoeffizienten auf verlegten Bodenbelägen gemessen werden (links = trocken, rechts = nass), die in Anlehnung an die DGUV-Information 208-041 Rückschlüsse auf die Begehsicherheit ermöglichen.

Die Einordnung der Werte erfolgt nach Tabelle 3 „Bewertungskonzept der Rutschgefahr“ der DGUV-Information 208-041. Hier heißt es unter anderem: Gleitreibungskoeffizienten μ ≥ 0,30 bis ≤ 0,45 = „Bodensystem betriebstauglich; eventuell besondere Maßnahmen erforderlich“ und bei μ ≥ 0,45 = „Bodensystem uneingeschränkt betriebstauglich“.

Belag geeignet

Der verlegte Bodenbelag ist auf Grundlage der DGUV-Information 208-041 für den vorgesehenen Verwendungszweck/die übliche Nutzungsart geeignet. Auch wenn die zugesicherte Eigenschaft R 9 nicht nachgewiesen werden konnte, ist davon auszugehen, dass der Belag diese erfüllt. Im konkreten Fall kann die Begehsicherheit erhöht werden, indem eine ausreichend groß dimensionierte Sauberlaufzone dauerhaft eingerichtet wird.

LABOR-PRÜFUNG
So wie hier am Institut für Arbeitsschutz der DGVU wird der R-Wert unter Laborbedingungen in einem Begehversuch ermittelt. Während der Prüfung neigt sich die Ebene mit dem zu untersuchenden Bodenbelag so lange, bis die gesicherte Testperson ausgleitet. Der erreichte Winkel ist ein Maß für die Gleitsicherheit des Bodenbelages.

Wissenswertes

Zur Drucklegung dieses Beitrags ist die DIN EN 16165 „Bestimmung der Rutschhemmung von Fußböden – Ermittlungsverfahren“, Ausgabe 2023-02 gültig. Produktklassifizierung oder Prüfzeugnisse nach DIN 51130 „Prüfung von Bodenbelägen – Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft – Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, Begehungsverfahren – Schiefe Ebene“ haben auch weiterhin Bestand. Die Umstellung in Produktdatenblättern wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Nach DIN EN 16165 wird kein R-Wert mehr angegeben, sondern der mittlere Neigungswinkel. In die deutsche Fassung der Norm wurde ein informativer Anhang zum nationalen Vorwort aufgenommen, der die gleiche Klassifizierung wie bisher enthält, sodass in den Prüfzeugnissen nach der deutschen Fassung neben dem Winkelwert auch direkt die erreichte Klasse (R 9 bis R 13) genannt werden kann. Die Anforderungen, welche Fußböden in welchen Bereichen eingesetzt werden dürfen, ändern sich durch die neue Norm nicht.

Fazit

Die Rutsch- oder Trittsicherheit führt immer wieder zu Diskussionen. Während es für Privathaushalte keine Vorgaben gibt, gilt für öffentliche Räume R 9 als Mindestanforderung. In einzelnen Bereichen oder auf Grundlage bestimmter Verordnungen können auch höhere Werte gefordert werden, beispielsweise in Kaffee- und Teeküchen R 10. Markenprodukte aus dem Sortiment des Raumausstatters erfüllen in der Regel die zugesicherte Eigenschaft.

Dennoch kann es zu Reklamationen kommen, die Sie als Verleger und Lieferant des Belages in den meisten Fällen nicht zu verantworten haben. Der zugesicherte R-Wert bezieht sich auf einen ungenutzten, sauberen und nicht gereinigten oder eingepflegten Bodenbelag, so wie er ab Werk geliefert wird. Ob bestimmte Nutzungssituationen die Rutschsicherheit im Objekt vermindern, obliegt nicht Ihrer Verantwortung. Immer vorausgesetzt, dass Sie eine Reinigungs- und Pflegeanleitung übergeben haben.