Aus gutem Grund

Alte lösemittelfreie Dispersionsklebstoffe nicht einfach Überspachteln

Bauen im Bestand heißt auch für die Bodenleger, dass Sanierungsmaßnahmen von Fußböden im Vordergrund stehen, denn circa 60 Prozent der Bautätigkeit betrifft zurzeit die Gebäudesanierung.

In der Praxis werden die alten Bodenbeläge herausgerissen, die Untergründe gereinigt, das heißt geschliffen, um alle losen Bestandteile zu entfernen.

Danach wird mit einem geeigneten Dispersionsvorstrich und einer Spachtel-/ Ausgleichsmasse ein verlegereifer Untergrund für die Klebung eines neuen Bodenbelages hergestellt.

Dabei sind alle Beteiligten von der Verlegewerkstoffindustrie über den Verleger bis hin zum Belagslieferanten bemüht, den anerkannten Regeln des Fachs und dem Stand der Technik zu genügen.

Normative und praktische Vorgaben

Der versierte Leser der ATV DIN 18365 „Bodenbelagsarbeiten“ erkennt sofort, dass der Normtext grundsätzlich von Neubauten ausgeht und Gebäudesanierungen nicht berücksichtigt.

Diese finden allerdings in Kommentaren und Erläuterungen sowie Merkblättern zur DIN 18365 Berücksichtigung (siehe letzter Absatz).

Die theoretischen Vorgaben sind – wenn man sie genau liest – immer eindeutig: Bei Fußbodensanierungsmaßnahmen sind die alten Verlegewerkstoffschichten vollständig und vollflächig von der Oberfläche des Untergrundes zu entfernen.

Verlegewerkstoffhersteller liefern Vorstriche, Spachtel- und Ausgleichsmassen mit bestimmten, zugesicherten Eigenschaften, die der „Problematik“ alter Klebstoffschichten durchaus gewachsen scheinen. So heißt es zum Beispiel im technischen Merkblatt einer bewährten Calciumsulfat-Spachtelmasse unter anderem „einsetzbar auf – Altuntergründen mit fest anhaftenden, wasserfesten Klebstoffresten“.

Systemfehler?

In der Praxis gibt es leider wiederkehrend Fälle, in denen die Theorie nicht funktioniert: Ein vor circa zehn Jahren mit einem lösemittelfreien Dispersionsklebstoff geklebter Teppichboden wurde entfernt und die auf dem Untergrund verbliebenen alten Klebstoffriefen mechanisch bearbeitet. Mit einer Einscheibenmaschine bei Verwendung einer hartmetallbestückten Kupferscheibe wurde alles daran gesetzt, die Klebstoffriefen „weitestgehend“ vom Untergrund zu entfernen (Bild 1).

Trotz Beschwerung mit einem 25-Kilo-Sack Spachtelmasse und trotz intensiver Bearbeitung konnte die Kupferscheibe (16er Korn) die zähplastischen Dispersionsklebstoffriefen nicht besonders zu beeindrucken (Bild 2).

Bild 1
Bild 1
Bild 2
Bild 2


Infolgedessen wurde in diesem Fall – auf Empfehlung des Verlegewerkstoffanbieters – der Untergrund mit einer hochwertigen zementären Ausgleichsmasse gespachtelt/gerakelt (Bild 3), um später einen Kunststoff-Design-Bodenbelag in Plankenform zu verlegen.

 

Obwohl die Fußbodenflächen topfeben vorlagen, zeigten sich flächenbegrenzt wolkenartige Rissformationen in der Spachtelmasse, die sich in diesen Bereichen schollen- bzw. glassplitterartig vom Untergrund ablösen ließ (Bild 4).

Bild 3
Bild 3
Bild 4
Bild 4


Fehler im Hinblick auf das Vorstreichen des Untergrundes sowie die Verarbeitung der zementären Spachtelmasse konnten nicht festgestellt werden.

 

Im Detail betrachtet, zeigten sich nach großflächiger Entfernung der Spachtelmasse vom Untergrund noch voll ausgeprägte Klebstoffriefen (Bild 5). Bei näherer mikroskopischer Untersuchung wurde jedoch festgestellt, dass in diesen Bereichen auch keine Schleifmaßnahmen erfolgten und die Einprägung des TR-Gewerbes des ursprünglich verlegten Teppichbodens noch deutlich erkennbar war (Bild 6).

Bild 5
Bild 5
Bild 6
Bild 6

Was war passiert?

Lösemittelfreie Dispersionsklebstoffe behalten mehrheitlich über die gesamte Zeit der Existenz plastische Eigenschaften. Je dicker das Klebstoffbett bzw. je ausgeprägter die alten Klebstoffriefen, desto labiler ist der Untergrund und desto geringer die Scherfestigkeit der Untergrundoberfläche.

Wird eine nahezu starr aushärtende zementäre Spachtelmasse verarbeitet und in ausreichender Schichtdicke (zum Beispiel zwei bis drei Millimeter dick) aufgetragen, entstehen Schwindspannungen, die bei einem im Sinne der DIN 18365 „festen Untergrund“ nicht schadhaft wirksam werden.

Liegt aber ein labiler Untergrund vor oder eine Klebstofffuge mit plastischen Eigenschaften, werden die Schwindspannungen der Spachtelmassenschicht die sich ergebenden Scherkräfte auf die plastische Klebstofffuge übertragen.

Da alte Dispersionsklebstoffe auf Dauer plastisch bleiben können, geben diese im Sinne eines labilen Untergrundes nach, und die Schwindspannungen der zementären Spachtelmasse führen dann zwangsläufig innerhalb der Fläche zu Rissbildungen. Schlimmstenfalls, wie auch in diesem Fall, kann dann die Spachtelmassenschicht schollenartig vom Untergrund aufgenommen werden.

Von spannungsarm bis rissfrei

Durchforstet man die technischen Datenblätter zu mineralischen Spachtel-, Ausgleichs- und Nivelliermassen, sind unter anderem zum Thema „Spannungen“ folgende Aussagen zu finden: Spannungsarm, rissfrei (spannungsarm), Rissbildung praktisch ausgeschlossen, sehr spannungsarm, rissfrei (Rissbildung praktisch ausgeschlossen), riss- und schwindungsfrei, völlig schwund- und rissfrei, nahezu spannungsfrei, spannungsarm und hohe Festigkeit.

„Altuntergründe“ in Normen und Merkblättern
  • Im „BEB-Kommentar“ zur DIN 18365 heißt es auf Seite 42 u. a.: „Besondere Vorsicht ist jedoch bei Altuntergründen geboten. Diese können durch zum Teil mehrfache Nutzungsänderung mit verschiedenen ‚Trennmitteln‘ kontaminiert sein. Dementsprechend sind besondere Maßnahmen notwendig, die möglichst bereits im Vorfeld (Planer/Fachplaner) festzulegen sind. Dies gilt sinngemäß auch für alte Spachtelmassen und Klebstoffschichten. Diese sind zu entfernen.“
  • Ähnlich lautende Textpassagen befinden sich auch im BEB-Merkblatt „Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen“.
  • Im TKB-Merkblatt 8 „Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen“ heißt es u. a.: „Nutzböden sind Böden mit einem vorhandenen, bereits genutzten Bodenbelag, Fliesen oder einer Beschichtung. Diese Böden stellen grundsätzlich keine normengerechten Untergründe dar. In der Regel sind vor neuen Bodenbelagsarbeiten die alten Beläge vollständig zu entfernen und der Unterboden durch weitere Maßnahmen vorzubereiten.“
Fazit

Es darf kein anderer Ratschlag gegeben werden als die Empfehlung, alte Verlegewerkstoffschichten vollständig und vollflächig vom Untergrund zu entfernen, wenngleich praxisbekannt ist, dass nicht immer die Möglichkeit besteht, insbesondere alte Klebstoffschichten zu eliminieren.

Wird aber an der mechanischen Untergrundvorbereitung gespart, ist mit Komplikationen der zuvor beschriebenen Art zu rechnen.

Die lösemittelfreien Dispersionsklebstoffe der neueren Generation bleiben über Jahre und Jahrzehnte plastisch und bilden für eine starr aushärtende zementäre Spachtelmasse keinen geeigneten Untergrund.

Sollte nun die Idee aufkommen, ausschließlich die bekannterweise nahezu spannungsfreien Calciumsulfat-Spachtelmassen zu verwenden, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass später, wie auch innerhalb dieses Objektes, ggf. Stuhlrollenbelastung gegeben ist.

Verklebte Kunststoff-Design-Bodenbelagselemente werden kaum die entstehenden Druck- und Scherkräfte abbauen, sodass möglicherweise Spätschäden, die jedoch noch innerhalb der Gewährleistungszeit entstehen, nicht auszuschließen sind.

Deshalb gilt der Rat bei der Sanierung von Fußbodenflächen optimale, apparative Hilfsmittel in Form von Schleifgeräten/-maschinen und entsprechenden Schleifmitteln einzusetzen.