Bodenleger-(Kunst)handwerk

Perfekte Nachbesserung: Wie aus Unzulänglichkeiten Unikate werden

Auch wenn das Handwerk des Bodenlegers wenig mit Kunst zu tun hat, wird auch diese Arbeit hier und da mit dem Begriff der Handwerkskunst beschrieben, was natürlich nichts mit dem Kunsthandwerk zu tun hat. Wortklauberei möchte man meinen, aber tatsächlich steckt der Teufel im Detail.

Der Begriff Kunsthandwerk steht für ein Handwerk, für dessen Ausübung künstlerische Fähigkeiten maßgebend und erforderlich sind. Überwiegend werden nach eigenen Entwürfen Unikate geschaffen. Die Ausführungsart und Beschaffenheit dieser Unikate unterliegen keinen technischen und schon gar nicht normativen Regeln oder Toleranzen.

Regeln der Handwerkskunst

Bei der Sachverständigentätigkeit sind oft Fragen mit Sicht auf technische Regeln, Stand der Technik oder auch anerkannte Regeln der Handwerkskunst zu bearbeiten. Ganz allgemein beschreibt die DIN 18 365 Bodenbelagsarbeiten die Regeln und Normschriften als Mindestanforderungen, die zu beachten sind, wenn es darum geht, das Gewerk Bodenbelagsarbeiten fachgerecht, also letztlich mängelfrei, abzuschließen.

In der Baurechtsliteratur liest man zum Paragraf 243 „Gattungsschuld“ häufig, dass eine „Sache“ von mittlerer Art und Güte zu leisten sei. Folgt man dieser Ansicht, ergibt sich für die Handwerksleistung lediglich die Verpflichtung, dem Auftraggeber eine Durchschnittsqualität zu liefern. Ganz anders ist jedoch das Anspruchsdenken des Auftraggebers, dass sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat und Toleranzen nicht kennt. Als Sachverständiger gilt es also, alle Seiten zu kennen und zu beachten und letztlich Toleranzen und Definitionen zu Unregelmäßigkeiten den Beteiligten zu vermitteln.

Sich mit dem Auftraggeber in Diskussion zu begeben, weil Ansprüche überzogen sind, führt zum Streit. Will man diesem aus dem Weg gehen, gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit der Nachbesserung – wie das folgende Beispiel verdeutlicht.

Unzulänglichkeiten im Designerhotel

Architektonisch – sowohl außen als auch innen – präsentiert sich ein Designerhotel in einer deutschen Metropole seinem Namen entsprechend „gestylt“. Dem Zeitgeist folgend sind die Zimmer lichtdurchflutet, schlichter Sichtbeton prägt das Ambiente. Selbst das Teppichbodendessin trägt die Handschrift einer Künstlerin und die Bodenbelagsarbeiten wurden mit gewissen Feinheiten und Raffinessen ausgeschrieben. Unter anderem sollte der Teppichboden an die Sichtbetonwände bündig und dicht angeschnitten werden.

Im Bereich von Türzargen und Türübergängen höhenangleichende Nivellierarbeiten durchgeführt werden. Bei der Abnahme zeigte sich dann, dass in vielen Bereichen die Vorstellungen des Bauherren und der Künstlerin nicht erfüllt werden konnten: So wurde der „ungenaue“ Anschnitt an Sichtbetonwänden ebenso bemängelt wie das „unsaubere“ Anarbeiten an Türzargen oder „stumpf abgeschnittene“ Teppichkettelsockel im Fenstererkern. Dass es sich bei den Erscheinungsbildern zweifelsfrei um Ausführungsdefizite handelte, war aufgrund der Eindeutigkeit kein Diskussionspunkt. Da sich jedoch bei gebrauchsüblicher Betrachtung die beschriebenen Details nicht vordergründig zeigten, stellte sich die Frage, ob diese handwerklichen Toleranzen möglicherweise eine Wertminderung rechtfertigten.

Nachbesserungsvorschlag

Um dem zu entgehen, gab es nur die Möglichkeit der Nachbesserung. Jedoch war den meisten „Problemzonen“ mit konventionellen Techniken nicht beizukommen: Denn es ist kaum möglich, eine Fuge von knapp einem Zentimeter Breite zwischen Teppichboden und Sichtbeton zu retouchieren. Genauso schwierig zeigten sich die Möglichkeiten im Bereich der Türzargen:

Wie sollte man eine Fuge, die teilweise keilförmig zwischen der Unterkante Türzarge und Teppichboden verläuft, schließen, wenngleich der Teppichboden zum Teil zu kurz abgeschnitten war?

Damit die Auftraggeber sich ein Bild davon machen konnten, wie eine Nachbesserung im Ergebnis aussehen kann, wurde vergleichsweise unkonventionell und mutig zur Tat geschritten und Probeflächen nachgebessert. Zum Schließen von Fugen zwischen Teppichboden und Sichtbetonwänden sowie unterhalb von Türzargen wurde farblich abgestimmt ein neutral vernetztes Natursteinsilikon verwendet, um Verfärbungen im Sichtbeton und im Teppichboden auszuschließen.

Zuerst galt es, Fugen unterhalb der Türzargen zu schließen (Bild 1). Dazu wurden diese und der angrenzende Teppichboden gewissenhaft abgeklebt (Bild 2).

Bild 1
Bild 1
Bild 2
Bild 2


Wichtig hierbei war, dass die veloursartige Nutzschicht mit dem Abklebeband zurückgeklebt wurde, um ein späteres Verschmieren oder Verkleben des Flors mit dem Silikon zu verhindern. Danach konnte mit dem Verfugen begonnen werden (Bilder 3 und 4).


 
Bil d3
Bild 3

Bild 4
Bild 4


Nach dem glattem Abziehen des Silikons wurde direkt das Abklebeband entfernt. Sodann konnten die letzten Feinarbeiten erfolgen: Mit einem Rosshaarpinsel wurden die noch plastische Fugenmasse modelliert (Bild 5).


 
Bild 5
Bild 5


Streckenweise war es auch erforderlich, die Anschlussfugen des Teppichbodens entlang der Sichtbetonwände nachzuarbeiten. Hier wurde ähnlich den Arbeiten bei den Türzargen vorgegangen. Der Teppichbodenflor wurde exakt zurückgeklebt, die Fuge mit Silikon geschlossen und nachbearbeitet. Nach dem Abziehen des Klebestreifens „kippt“ der Flor über die Silkonnaht und wird so zum perfekten Randabschluss, wie die Bilder 6 und 7 verdeutlichen.


 
Bild 6
Bild 6

Bild 7
Bild 7


Der senkrechte Abschluss der Teppichkettelleisten wurde in zwei Varianten nachgebessert: Einerseits wurde, wie auf den Bildern 8 und 9 sichtbar, eine Metallabschlussschiene gewählt, die die Teppichsockelleiste umfasst. Andererseits wurde eine übliche Edelstahl-Winkelschiene als Abschlusskante gewählt, wie die Bilder 10 und 11 dokumentieren.


 
Bild 8
Bild 8

Bild 9
Bild 9

Bild 10
Bild 10
Bild 11
Bild 11


Letztlich konnten sich alle Beteiligten für die Nachbesserungsmaßnahmen begeistern und aus Unzulänglichkeiten wurden Unikate geschaffen.

Passende Literatur

Ganz neu ist die VOB 2009: Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist das Grundlagen- und Nachschlagewerk für die Bauvergabe in Deutschland. Mit der komplett aktualisierten Ausgabe VOB 2009 wurden am 11.Juni Änderungen in Teil A (VOB/A, DIN 1960), Teil B (VOB/B, DIN 1961) sowie Teil C (VOB/C) gültig.
Beuth Verlag,
ISBN-Nr. 978-3-410-61232-2
Einen Leitfaden und eine Entscheidungshilfe in Streitfällen wegen „kleinerer Unregelmäßigkeiten“ in der Ausführung bietet das Fachbuch „Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Neubauten“.
Vieweg+Teubner,
ISBN-Nr. 3528116897
Wer mehr über Dichtstoffe wissen möchte, sollte sich das „Praxishandbuch Dichtstoffe“ des Industrieverbandes Dichtstoffe beschaffen. IVD, Düsseldorf, www.ivd-ev.de

Fazit

Mit diesem Beitrag wollen wir nicht dazu verleiten, unpräzise zu arbeiten und Fehler anschließend mit Silikon zu retuschieren, sondern deutlich machen, dass die Möglichkeit besteht, unzufriedenen Kunden mit kreativen Ideen entgegenzukommen, ohne dass gleich ein kostspieliger Streit entsteht.