Dicke Luft nach Bodenbelagsarbeiten

Dicke Luft nach Bodenbelagsarbeiten

Wie der Raumausstatter auf Geruchsreklamationen reagieren sollte

Nach Bodenbelagsarbeiten Geruchsbeanstandungen geäußert, die dann zu heftigen Auseinandersetzungen führen können. Dabei werden einerseits gesundheitliche Beeinträchtigungen zu Felde geführt andererseits wird auch schon allein der Neugeruch beanstandet.

Oft unsachliche Diskussionen

Aufgeheizte Gemüter führen dann meist unsachliche Diskussionen über die Faktoren, welche die störenden Gerüche möglicherweise auslösen. Nicht selten weisen die Hersteller von Kleb- und Hilfstoffen sowie Bodenbelagsmaterialien auf die einwandfreie Qualität hin und ziehen sich durch die Vorlage zahlreicher Sicherheitsdatenblätter und Zertifikate aus der Verantwortung. Somit bleibt der Raumausstatter hilflos der „Macht des Kunden“ ausgeliefert und sieht sich einer Zerreißprobe bei der kundenfreundlichen Reklamationsbearbeitung ausgesetzt. Tatsache ist, daß in den letzten Jahren die erforderlichen Kleb- und Hilfsstoffe sowie die benötigte Rohstoffzusammensetzung permanent verändert wurden, der Verarbeiter allerdings nicht in jeder Hinsicht mit diesen Entwicklungen Schritt halten kann. So wurden im Laufe der Zeit lösemittelhaltige Klebstoffe etwa durch lösemittelarme Dispersionsklebstoffe und kürzlich durch lösemittelfreie Produkte ersetzt. Ebenso wurden Rohstoffzusammensetzungen von Nadelvlies-Belägen oder Rückenausstattungen von Teppichböden sowie Grundierungen und Spachtelmassen verändert. Außerdem sorgt die schneller werdende Bauweise dafür, daß in immer kürzeren Abständen immer größere Mengen an Feuchtigkeit entweichen müssen. Sieht sich der Raumausstatter nun dem Vorwurf einer Geruchsbelästigung ausgesetzt, so muß er nach den Ursachen forschen und auf Abhilfe sinnen. Dabei können nahezu alle neu eingebrachten Baustoffe und Einrichtungsgegenstände flüchtige und geruchsintensive Stoffe abgeben. Zusätzlich können bauphysikalische Einflüsse, insbesondere die hohe Neubaufeuchte oder auch der hohe Feuchteeintrag innerhalb von Altbauten zur Erhöhung von Geruchskonzentrationen beitragen, zumal bis heute eine geregelte Be- und Entlüftung von Wohnbauten in keiner DIN-Schrift oder Richtlinie vermerkt ist. Letztlich bestimmen das Nutzungs- und Lüftungsverhalten sowie die Güte der Außenluft Luftqualität und Geruchsintensität.

Neutralisation von Gerüchen

Allein die relativ große Oberfläche des neu verlegten Bodenbelags führt zur Bildung eines temporären Neugeruchs. Die als notwendig erachteten und vermehrt eingesetzten, wasserhaltigen Dispersionsklebstoffe trocknen im Vergleich zu ehemals verwendeten Lösemittelklebstoffen langsamer und geben dabei Feuchtigkeit an den Untergrund und an den Bodenbelag ab. Schon allein diese eingesetzte Feuchtigkeitsmenge von etwa 100 ml Wasser pro Quadratmeter kann dazu beitragen, daß geruchsbildende Substanzen aus ungenügend vorbereiteten Altuntergründen und nicht entfernten, alten Hilfsstoffschichten sowie aus verschiedenen Bodenbelagsarbeiten zu Geruchsentwicklungen führen.

Bei ordnungsgemäßem Einsatz der verwendeten Hilfs- und Klebstoffe sollte bereits nach wenigen Tagen oder maximal Wochen eine Neutralisation des Neugeruchs bzw. eine Überlagerung durch den gewohnten Geruch stattgefunden haben. In Extremfällen sollten spätestens nach Ende einer Heizperiode bzw. dem Durchlauf einer Sommer-/Wintersaison untypische Geruchsbildung verschwunden sein.

Auch bei lösemittelfreien Dispersionsklebern kann es zu Geruchsreklamationen kommen: Die schwerflüchtigen Lösemittel benötigen zwar eine längere Verdunstungszeit, trotzdem muß nicht unbedingt eine chemische Reaktion zwischen Untergrundklebstoffen und Oberbelag stattfinden; aber nach Abschluß der Trocknung kann schon eine Kombination von geruchsbildenden Substanzen unangenehme Gerüche entstehen lassen. Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen Eigengeruch und Fremdgeruch. Insbesondere bei Woll- und Tierhaartextilien können durch erhöhte Feuchte störende Gerüche entstehen. Oft werden im Zuge einer Renovierung auch andere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und dabei neue Einrichtungsgegenstände angeschafft. Dabei können eingesetzte Farben, Lacke und Dichtstoffe ebenso wie neu angefertigte Dekorationen oder Polstermöbel zu Geruchsbildungen fixieren. Der typische Eigengeruch neuer Möbel und anderer zuvor nicht vorhandener Faktoren, etwa einer Klimaanlage, müssen auch Berücksichtigung finden. Inwieweit technische Geräte störende Gerüche entlassen, gehört ebenso ins Reklamationsprotokoll wie der Einsatz geruchsintensiver Duftöle. Zur koordinierten Bearbeitung einer Geruchsreklamation sollten nach Klärung der oben genannten Faktoren bereits die Lieferanten/Hersteller der eingesetzten Bodenbeläge und Hilfsstoffe befragt werden, da diese nicht selten hilfreiche Informationen geben.

Dazu sind auch die Chargen-Nummern – sofern vorhanden – und die Lieferdaten der eingesetzten Werkstoffe sowie entsprechende Proben vorzulegen. Sollte die gewissenhafte Untersuchung der eingesandten Materialien/Proben keine Anzeichen für Ursachen der Geruchsbildungen ergeben, bleibt nur noch der Weg zum Sachverständigen. Damit ist allerdings nicht garantiert, daß der Verursacher definitiv gefunden werden kann. Der zuverlässigste Weg für Raumausstatter, einer Geruchsreklamation aus dem Wege zu gehen, liegt bereits in der Planungs- und Beratungsphase sowie in den Ausführungen der Bodenbelagsarbeiten. Bei Neubauten sollten nicht nur die Trocknungszeiten der Estriche, sondern die gesamte Bauaustrocknung beachtet werden. Bei Renovierungen/Sanierungen müssen alte Klebstoffreste sach- und fachgerecht entfernt und systemgerechte Untergrundaufbauten erstellt werden. Die Wahl des richtigen Klebstoffes in Abstimmung mit dem zu verlegenden Bodenbelag sollte ebenso gewissenhaft erfolgen wie die Beachtung der anwendungstechnischen Empfehlungen der Bodenbelags- und Hilfsstoffhersteller.

Aufklärung

Wenn der Raumausstatter seinen Kunden schon vor Beginn der Bodenbelagsarbeiten auf Eigen- /Neugerüche vorbereitet, kann er mit gutem Gewissen bei Abschluß der Arbeiten und Übergabe der Reinigungs- und Pflegeanleitung zum Lüften der bearbeiteten Räume auffordern. Abschließend muß darauf hingewiesen werden, daß Fälle bekannt sind, in denen Flächen mehrerer Räume bei gleichen Bedingungen mit gleichem Belag und gleichem Klebstoff vorliegen und lediglich in einem abgeschlossenen Raum Geruchsbeanstandungen festgestellt werden können. Andererseits wurden in geruchsbelasteten Bereichen Bodenbeläge entfernt und auch nach Neuverlegung keine Verbesserung erreicht.

Jens Lehmann,
Institut für Fußbodentechnik und Raumausstattung, Köln