Ebenheit und Winkligkeit prüfen

Eingehaltene Grenzwerte schützen nicht immer vor Beanstandungen

Für bodenlegende Handwerks- und Gewerbezweige ist die stichprobenartige Prüfung eines Fußbodens, ob die Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen eingehalten werden, allgemein bekannt. Üblicherweise wird die Beurteilung der Untergrundoberfläche im Hinblick auf die Ebenheit durch den Auftragnehmer im Allgemeinen durch Sichtprüfung vorgenommen. Dabei auffällig hervortretende Unebenheiten werden mittels Messlatte und Messkeil geprüft. Bestehen Zweifel darüber, ob die Ebenheit des Untergrundes innerhalb der maximal zulässigen oder vereinbarten Grenzwerte liegt, sollten stichprobenweise Einzelmessungen durchgeführt werden.

Hieraus resultiert jedoch nicht, dass der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten sozusagen als Nebenleistung dazu verpflichtet ist, die komplette Fläche und/oder ein komplettes Haus oder eine Halle durchzumessen. Der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten kann davon ausgehen, dass, insbesondere bei neu eingebauten Estrichen, die Arbeit fachgerecht und ordnungsgemäß erfolgte und das Gewerk Estricharbeiten entsprechend der DIN 18 353 vom Auftraggeber auch abgenommen worden ist.

Wackelnde Bistrotische

Dennoch: Eingehaltene Grenzwerte schützen nicht vor Beanstandungen, wie folgender Fall zeigt. In einem Restaurantbetrieb werden kleine Bistrotische von den Gästen häufig verrückt oder verstellt. Ein Tisch, der zuvor noch fest gestanden hat, kippelt an anderer Position. Die Gäste helfen sich – in gewohnter Weise – mit ein paar Bierdeckeln als Höhenausgleich. Dass für ein gut geführtes Restaurant mit optisch sehr ansprechendem Ambiente ein mit Bierdeckeln übersäter Hochkantlamellen-Parkettfußboden eher störend ins Auge fällt, ist nachvollziehbar und die Reklamation vorprogrammiert.

Tatsächlich zeigte die an sich ordentlich aussehende Hochkantlamellen-Parkettfläche nur innerhalb der Grenzwerte liegende Ebenheitsabweichungen – die Tische wackeln trotzdem (Bilder 1 und 2).

Bild 1
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Bild 2
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Die vierbeinigen Bistrotische stehen auf justierbaren Tischbeingleitern, die Aufstandsflächen haben einen Abstand von rund 35 cm zueinander (Bilder 3 und 4).

 

Bild 3
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Bild 4
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Je nach Positionierung des Tisches auf dem Parkett steht dieser einerseits fest, andererseits entsteht zwischen einer der vier Aufstandsflächen ein Zwischenraum zur Parkettoberfläche von bis zu drei Millimetern (Bilder 5 und 6). Zum Ausgleich lassen sich die Tischbeingleiter auf eine passende Höhe einstellen – in der Praxis greift der Gast aber doch zum Bierdeckel.

Bild 5
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Bild 6
Bild 6

 

Bei der Beurteilung muss berücksichtigt werden, dass die Grenzwerte der Ebenheitsabweichungen sowohl als Tiefpunkte vorliegen können als auch als Hochpunkte. Dadurch entsteht bei den vierbeinigen Bistrotischen zwangsläufig die Situation, dass je nach Standposition diese kippeln, obwohl die Tischbeingleiter gleichmäßig justiert sind. Dreibeinige Tische zeigen diesen Effekt entsprechend der Standgeometrie nicht.

Infolgedessen war in diesem Fall die gegenüber dem Parkettleger vorgetragene Beanstandung sicher vom Grund her nachvollziehbar, jedoch vom Parkettleger selbst nicht zu vertreten. Dem Betreiber des Restaurants wurde vorgeschlagen, die kleinen, nur schwer zu erreichenden, justierbaren Tischbeingleiter gegen großflächige Tischbeingleiter auszutauschen, die über die Grundrissfläche des Gussfußes hinausstehen, sodass die Justierung einfach mit dem Fuß erfolgen kann und nicht mühsam durch Kippen des gesamten Tisches von Hand.

Winkelabweichungen prüfen

Die DIN 18 202, in der Ausgabe Oktober 2005, „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“ befasst sich auch mit den Grenzwerten für Winkelabweichungen. Diese hat der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten beispielsweise bei der Verlegung gemusterter Bodenbeläge in Bahnen oder Fliesen zu prüfen, unabhängig davon, ob Hartbelag oder Teppichboden.

07_01_Winkelabweichungen
Nicht nur bei der Verlegung rapportgemusterter Teppichböden ist die Beachtung der Winkelabweichungen wichtig


Bei textilen Bodenbelägen stellt zum Beispiel der Schrägverzug (geradlinige Abweichung von einer im rechten Winkel zum Bahnenrand verlaufenden Bezugslinie) eine Winkelabweichung dar. Entsprechend der Musterung eines Bodenbelages und insbesondere bei rastergemusterten Bodenbelägen ist es notwendig, auf die Parallelität des Musterverlaufs entlang der begrenzenden Raumwände zu achten. Hier ist das vorherige Prüfen der Winkelabweichungen der Flächen bzw. der begrenzenden Wände vorteilhaft: Da ein Gebäude fast nie im rechten Winkel gebaut worden ist, muss bei der Verlegung von gemusterten Bodenbelägen immer davon ausgegangen werden, dass an irgendeiner Seite des Raumes ein schräger Verlauf der Musterung zur Wand gehend oder umgekehrt feststellbar ist. Raumgeometrien, wie sie auf den Bildern 7 bis 9 abgebildet sind, stellen unter diesem Aspekt ein erhöhtes Maß an die Sorgfalt des Auftragnehmers dar.

 

Bild 7
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Bild 8
Bild 8

Bild 9
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Die Erfahrung des Verfassers zeigt, dass es bei komplizierten Raumgeometrien zweckmäßig ist, bereits in der Planungsphase in den „Auslaufbereichen“ zu den Wänden einen Unistreifen des Teppichbodens vorzusehen, der die gemusterte Fläche zur Wand hin abgrenzt.

Architekten und Innenarchitekten ziehen häufig die Rastermusterung in die Gesamtkonzeption der Raumplanung mit ein und berechnen daraus das Rapportmaß. Werden zu einem späteren Zeitpunkt so genannte Leichtbauwände parallel zum Deckenraster aufgestellt, ist die Katastrophe am Boden nahezu vorprogrammiert. Auch in diesem Fall ist es ratsam, bei der Verarbeitung von rastergemusterten Teppichböden das Gespräch mit dem Auftraggeber oder Architekten vor Arbeitsbeginn zu suchen.

Die Grenzwerte der Ebenheitsabweichungen können sowohl als Tiefpunkte als auch als Hochpunkte vorliegen
Die Grenzwerte der Ebenheitsabweichungen können sowohl als Tiefpunkte als auch als Hochpunkte vorliegen

 

Fazit

Es ist sinnvoll und zweckmäßig, sowohl die Prüfung der Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen zu beachten als auch die Prüfung der Grenzwerte für Winkelabweichungen. Gegebenenfalls sind schriftlich Bedenken anzumelden und/oder die Behinderung anzuzeigen, bis der Bauherr eine Endscheidung fällt.