Neues Merkblatt für Spachtelböden

Stand der Technik für dekorative Spachtelböden definiert

Als 1994 in einem RZ-Bericht über die Messe Raumtex in Stuttgart zu lesen war: „Als neuen außergewöhnlichen Boden-‚Aufstrich‘ präsentierte Richard A. Kille eine mit Farbpigmenten versehene Spachtelmasse, die je nach Auftrag auf den Boden für den Kunden ein kunstvolles Boden-Unikat ergibt“, war kaum abzusehen, dass sich aus der kreativen Idee eine bedeutende Art der Bodengestaltung entwickeln würde. In unzähligen „Selbstversuchen“, aber auch in enger Zusammenarbeit mit der Industrie wurde die Idee, mit Spachtelmassen (gestaltete) Nutzböden zu schaffen, zur Marktreife geführt. Natürlich haben auch andere diese Idee verfolgt und mit ihrem technischen und kreativen Knowhow den Grundstein gelegt, ein praxistaugliches Produkt am Markt zu etablieren.

Stand der Technik definiert

Fast 20 Jahre später ist es an der Zeit, für die nun bewährte Art der „Bodenverlegung“ den Stand der Technik zu definieren. Als Projektleiter und Fachbereichsleiter „Bodenbeläge“ im BSR erstellte Richard A. Kille gemeinsam mit Dipl.-Kfm. Peter Erbertz, Sachverständiger für das Estrich- und Bodenleger-Gewerbe, Peter Schamp, Sachverständiger für Betonwerkstein und Terrazzo sowie Frank Schnieders, Maler- und Lackierermeister, das Merkblatt „Mineralische, dekorative Spachtelböden“. Das Merkblatt ist unter anderem beim Bundesverband der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung, BSR, erhältlich.

In die Ausarbeitung des Merkblattes ist also ein breites Wissen aus allen Fachbereichen eingeflossen. Angefangen von den Materialeigenschaften bis zur Fehleranalyse fertiger Böden. Das Merkblatt versteht sich einerseits als Definition für die Bewertung mineralischer, dekorativer Spachtelböden und andererseits als Arbeitsanweisung im Umgang mit dieser Verlegetechnik. Es richtet sich somit ebenso an Verleger, die sich die neue Technik aneignen wollen, sowie an Profis im Umgang mit „Spachtelböden“, aber eben auch an Sachverständige, die einen Leitfaden zur Beurteilung dieses Gewerkes suchen.

Weiterbildung ist Pflicht

Trotz dieser umfassenden Wissensvermittlung kann und will das Merkblatt keine praktische Schulung zum Thema „Spachtelböden“ ersetzen.

Weiterbildung in Theorie und Praxis ist auch hier Pflicht! Das Merkblatt kann aber sehr wohl eine Grundlage bilden, sich näher mit diesem interessanten Betätigungsfeld des Bodenlegens zu befassen. In Zeiten, in denen Kunden immer größeren Wert auf Individualität und Gestaltung legen und klassische Bodenbelagprodukte in nahezu allen Vertriebskanälen gehandelt werden, können „Spachtelböden“ eine lukrative Ergänzung des eigenen Angebotes werden.

Das Merkblatt im Überblick

Das Merkblatt „Mineralische, dekorative Spachtelböden“ bezieht sich auf alle mineralischen Spachtelböden mit naturbelassener, polierter, imprägnierter oder versiegelter Oberfläche. Spachtelböden dieser Art sind im Handel als Dekorböden, Unikatböden, Designböden, Dekorspachtel, Spachtelböden oder diversen Eigenmarken bekannt.

Durch die weitgehend fugenlose Verarbeitung der „Spachtelböden“ zeichnen sich Unebenheiten im Untergrund deutlich ab. Daher wurden an die Ebenheit erhöhte Anforderungen nach DIN 18202 Toleranzen im Hochbau, Tabelle 3, Zeile 4, gestellt.

Untergründe zur Aufnahme von „Spachtelböden“ müssen in Anlehnung an die einschlägigen Vorgaben der DIN 18352 Fliesen- und Plattenarbeiten, DIN 18356 Parkettarbeiten und DIN 18365 Bodenbelagarbeiten verlegereif sein. Dazu gehört auch, dass Zementestriche über einen Feuchtegehalt von 1,8 CM-% / 2,0 CM-% (beheizt/unbeheizt) und Calciumsulfat-Estriche oder Calciumsulfat-Fließestriche über einen Feuchtegehalt von 0,3 CM-% / 0,5 CM-% (beheizt/unbeheizt) verfügen.

Wichtig ist der Hinweis, dass Bewegungsfugen, wie Gebäudetrennfugen, Rand- und Anschlussfugen nicht überdeckt werden dürfen und an Ort und Stelle zur Funktionalität in gleicher Breite deckungsgleich zu übernehmen sind. Ganz entscheidend ist aber die Ergänzung, dass Fugen neben der funktionalen Notwendigkeit auch unter gestalterischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sind. „Der Fugenplan ist daher mit allen Beteiligten abzustimmen“, heißt es im Merkblatt.

Zur Verarbeitung an sich werden nur wenig konkrete Angaben gemacht, da hier die Vorgaben des jeweiligen Systemlieferanten zu beachten sind. Erwähnenswert ist, dass es zu keinen Hohllagen kommen darf, also der Haftverbund des „Spachtelbodens“ vollflächig zum Untergrund gewährleistet sein muss.

Von Bedeutung ist ebenfalls die Aussage, dass vereinzelte Haarrisse mit einer Breite ≤ 0,2 Millimeter unvermeidbar sind. Allerdings wird deutlich darauf hingewiesen, dass krakelee- beziehungsweise gitternetzartige Rissbilder in Oberflächen von dekorativen Spachtelböden nicht hinnehmbar sind, auch wenn deren Rissbreite unter 0,2 Millimeter liegt.

Und noch ein Praxistipp versteckt sich im Merkblatt-Text: Da es sich bei mineralischen Spachtelböden nicht um Nivellier-/Ausgleichsschichten handelt, sondern um Schichten, die dem dekorativen Zweck dienen, müssen diese in gleichmäßiger Dicke aufgebracht werden. „Unterschiedliche Schichtdicken, insbesondere auf kurzem Nennmaßbereich, verursachen Farbschattierungen durch unterschiedliches Trocknungsverhalten/unterschiedliche Trocknungszeiten“, erläutert das Merkblatt.

In anderen Punkten geht das Merkblatt unter anderem auf den Einsatz von „Spachtelböden“ auf Fußbodenheizung, in Bädern, Garagen oder Außenflächen ein. Auch werden Anforderungen an die Rutschsicherheit sowie die Reinigung und Pflege beschrieben.

Leitfaden für Sachverständige

Breiten Raum nimmt die Beurteilung von fertigen „Spachtelboden“-Flächen ein. Nahezu alle denkbaren Erscheinungsbilder wurden mit Referenzbildern visualisiert und ausführlich beschrieben. Unmissverständlich wird darauf hingewiesen, dass die Beurteilung von Farbabweichungen, Strukturunterschieden und sonstigen optischen Unregelmäßigkeiten aufrecht stehend zu erfolgen hat. Nur im Bedarfsfall – wenn beispielsweise die Betrachtungsweise der Fußbodenoberfläche überwiegend sitzend erfolgt – kann eine Beurteilung auch bei gebückter Haltung im Abstand von mindestens einem Meter zur Fußbodenoberfläche erfolgen.

Verarbeitungsfehler erkennen

Exemplarisch stellen wir in diesem Beitrag einige Erscheinungsbilder vor, die im Merkblatt „Mineralische, dekorative Spachtelböden“ zum Teil ausführlich erläutert werden:

  • Luftporen aus dem Untergrund infolge einer unzureichenden
    Untergrundvorbereitung (Bild 1)
  • Schlierenartige Poren durch Schaumbildung (Bild 2)
  • Farbunterschiede durch unterschiedliche Mischungen der Spachtelmasse (Bild 3)
  • Krakelee- beziehungsweise gitternetzartige Risse (Bild 4)
  • Nicht ordnungsgemäß aufgetragene Imprägnierung (Bild 5)
  • Kellenschläge (Bild 6)
  • Rakelspuren (Bild 7)
  • Orangenhaut (Bild 8)
  • Rastermusterung als Abzeichnung des falschen Gebrauchs einer Stachelwalze
    (Bild 9)

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