Risiko Altuntergrund

Nur eine Konstruktionsöffnung kann Gewissheit verschaffen

Die Aufträge, bei denen auf einen neuen Estrich Bodenbeläge verlegt werden sollen, sind seltener geworden. Die, bei denen dieser Estrich dann auch noch ohne weitere Vorbehandlungsmaßnahmen als verlegereif zu bezeichnen ist, waren schon immer rar. In der Regel bekommt der Bodenleger einen Renovierungsauftrag und arbeitet auf einem schon genutzten, meistens mehrere Jahre alten Untergrund. In den seltensten Fällen kann er dabei in Erfahrung bringen, was für einen Untergrund er vorfinden wird. Estrich- und Konstruktionsart, Aufbauhöhen, Abdichtungen und vieles mehr können nicht mehr zuverlässig nachvollzogen werden. Manchmal ist es gerade so, als tappe er mit verbundenen Augen durch ein Minenfeld. Glück hat, wer hier unbeschadet durch (die Gewährleistung) kommt.

Renovierung im Möbelhaus

Dass man nicht bei jedem Renovierungsauftrag Bedenken anmelden kann ob des undefinierten Untergrundes, den man vorfindet, ist auch klar. Also ist Absicherung gefragt. Das dachte sich auch ein Bodenleger vor der Renovierung eines Möbelhauses und holte sich einen Vertreter seines Verlegewerkstoffanbieters mit „ins Boot“.

In den mehrere Jahre alten Ausstellungsflächen und Wegführungen (Loops) sollten alte Bodenbeläge entfernt und unter anderem PVC-Design- und CV-Beläge verlegt werden. Den vorgefundenen Untergrund klassifizierte man als Gussasphalt-Estrich. Nach dem gemeinsamen Ortstermin gab der Verlegewerkstoffanbieter eine objektbezogene Empfehlung zur Untergrundvorbereitung und Klebung.

Dieser Empfehlung folgend strich der Bodenleger nach Entfernen der Altbeläge den Untergrund mit einer lösemittelfreien, 2-komponentigen Grundierung und Haftbrücke vor. Zur Egalisierung verwendete er empfohlene zementäre Spachtel- und Nivelliermassen sowie Schnell-Spachtelmassen für Reparaturzwecke und auch großflächig einen pumpfähigen Schnellestrich.

Nach gut einem Jahr der Nutzung zeigten sich in den verlegten elastischen Bodenbelägen Beulen- und Blasenbildungen, die zunächst repariert wurden. Da das Ausmaß der Mängel und Schäden im Lauf der Zeit immer größer wurde, beauftrage man schließlich das IFR zur Klärung des Sachverhaltes.

Etliche Fußbodenflächenbereiche innerhalb des Gebäudes zeigten Blasen- und Beulenbildungen der geklebten Kunststoff-Bodenbeläge (Bild 1).

Bild 1
Bild 1


Zur Ursachenforschung wurde eine „Bodenbelagsblase“ leicht aufgeschnitten und unterhalb des wieder verschlossenen Kunststoffbelages eine Messsonde eingelegt, um im vorhandenen Hohlraum die Klimabedingungen zu prüfen.

Bei einer Lufttemperatur von 20,8 °C wurde eine ansteigende relative Luftfeuchte von 96 Prozent bis nahezu 100 Prozent gemessen (Bild 2).


 
Bild 2
Bild 2


Beim Öffnen und Aufnehmen dieser Bodenbelagteilfläche wurde ein feuchtmuffiger Geruch freigesetzt und der Dispersionskleber schmierig verseift vorgefunden. Gleichzeitig hatte sich die zementäre Spachtelmasse deckungsgleich zu den ursprünglich vorhandenen Beulen- und Blasenbildungen von der Oberfläche des bituminösen Untergrundes gelöst und ist zum Teil entsprechend der vorliegenden weich-mürben Substanz „pulverisiert“ bzw. in Schichten abgelöst (Bilder 3 + 4).


 
Bild 3
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Bild 4
Bild 4


Beim Aufstemmen des Untergrundes wurde festgestellt, dass eine 20 bis 25 Millimeter dicke, mürbe/spröde und insoweit brüchige bituminöse Schicht vorliegt, die eher einem Kaltbitumen-Industrieboden entspricht als einem Gussasphaltestrich (Bild 5).


 
Bild 5
Bild 5


Nach partiellem Entfernen der bituminösen Estrichschicht wurde die Oberfläche eines mineralischen Untergrundes freigelegt. Dessen messtechnische Überprüfung ergab einen Feuchtegehalt, der umgerechnet zwischen 3,4 bis 3,6 Gew.-% entspricht (Bild 6).


 
Bild 6
Bild 6


Den Beteiligten vor Ort war es nicht möglich, den Fußboden-Konstruktionsaufbau anhand von möglichen Planungs- oder Ausführungsunterlagen zu beschreiben. Bei Grundlage mehrerer Konstruktionsöffnungen ist jedoch davon auszugehen, dass es sich um einen „klassischen“ Industriefußboden handelt: Der Untergrund besteht voraussichtlich aus einem erdreichangrenzenden Beton, auf dem dann ein bituminös gebundener Industrieboden in Schichtdicken von 20 bis 30 Millimeter aufgebracht wurde.

Kein geeigneter Untergrund

Sogenannte hydraulisch gebundene Emulsionsböden – bestehend aus einem hydraulischen Bindemittel, einer speziellen Bitumen- oder Bitumenkunststoff-Emulsion und mineralischen Additiven – werden üblicherweise als Nutz-/Verschleißböden eingesetzt, das heißt ohne weiteren Oberbelag direkt beansprucht.

Entsprechend des Anforderungsprofils an den Zustand und an die Beschaffenheit eines Untergrundes, auf dem Untergrundvorbereitungs- und Bodenbelagverlegemaßnahmen durchgeführt werden sollen, stellt solch ein bituminös gebundener Industrieboden im Sinne der DIN 18 365 „Bodenbelagsarbeiten“ keinen geeigneten Untergrund dar.

Die Art und Beschaffenheit bituminös gebundener Industrieböden – wie der in diesem Objekt – lassen zum Beispiel eine Spachtelung/Egalisierung der Oberflächen mit herkömmlichen Zementspachtelmassen nicht zu.

Dies deshalb, weil zementäre Spachtelmassen in Abhängigkeit der Klimasituation während der Verarbeitung und in Abhängigkeit der Hydratation und Trocknung sowie Schichtdicke Eigenspannungen aufweisen können, die auf den Untergrund übertragen werden. Die Eigenspannungen zementärer Massen können dann, wie in diesem Fall, zu Verformungen des dauerhaft plastischen Industriebodens führen und zu Verwölbungen und Rissen führen.

Zudem ist nicht sichergestellt und in diesem Fall nicht überprüft worden, ob ausreichende Abdichtungsmaßnahmen innerhalb der erdreichangrenzenden Fußbodenkonstruktion gegenüber Feuchteeinwirkung vom Untergrund berücksichtigt wurden.

Der Fußbodenpass

Eine gewerkübergreifende Baustellendokumentation zur Qualitätssicherung im Fußbodenbau kann das Risiko vor allem bei Bodenbelagsarbeiten auf Altuntergründen minimieren. Seit fünf Jahren gibt es sie, aber nur wenige wenden sie an.

Der „Fußbodenpass“ wurde unter Federführung des Industrieverbandes Klebstoffe und der Technischen Kommission Bauklebstoffe von allen Verbänden der am Fußbodenbau beteiligten Gewerke entwickelt. Er soll den Informationsfluss zwischen den Gewerken verbessern, indem er eine lückenlose Beschreibung aller Arbeiten zusammenfasst, sodass zu jeder Zeit jeder über den Zustand des Fußbodens informiert ist. Jeder, der an einer Fußbodenkonstruktion tätig ist, kann den Fußbodenpass in den Umlauf bringen – im Idealfall tut dies bereits der Estrichleger.

Der Fußbodenpass (Umschlag, Register und Formblätter) kann über die bekannten Berufsverbände, beispielsweise den ZVR, zu einem Stückpreis von zwei Euro (zzgl. MwSt und Versand) bestellt werden. Formblätter und Informationen gibt es kostenlos unter www.klebstoffe.com/fussbodenpass

Fazit

Auch wenn es etliche Objekte mit bituminös gebundenen Industrieböden gibt, in denen es – bei Verlegung von textilen Bodenbelägen – zu keinen Beanstandungen kommt, stellen solche Böden keinen geeigneten Untergrund für Bodenbelagsarbeiten im Sinne der DIN 18 365 dar. Konstruktionsbedingt werden solche Industrieböden häufig auf Erdreich angrenzende Betonbodenplatten verlegt, die nicht grundsätzlich mit normengerechten, der DIN 18 195 „Bauwerksabdichtungen“ entsprechenden Feuchteabdichtungen ausgestattet sind.

Im konkreten Fall haben mehrere Fachleute bei der Objektbegehung den bituminös gebundenen Industrieboden als Gussasphalt-Estrich eingestuft. Der Verlegewerkstoff-Anbieter hat sogar eine objektbezogene Aufbauempfehlung gegeben – für die er übrigens auch geradestehen muss, was den Bodenleger aber nicht gänzlich von seiner Haftung befreit.

Grundsätzlich ist also bei Altuntergründen statt einer Sichtprüfung immer eine Konstruktionsöffnung vorzunehmen, die einen in den meisten Fällen vor bösen Überraschungen bewahrt. Gibt es dennoch berechtigte Zweifel an der Eignung des Untergrundes für die vorgesehene Belagsverlegung – beispielsweise wenn nicht geklärt werden kann, ob fachgerechte Bauwerksabdichtungen vorhanden sind – sind Bedenken anzumelden.

Im eigenen Interesse ist eine Baustellendokumentation daher nicht nur sinnvoll, sondern Pflicht. Denn irgendwann müssen Sie auch Ihren eigenen Bodenbelag renovieren und freuen sich dann über detaillierte Angaben zum Objekt.