Vergilbung: Ursache liegt im Dunkeln

Es kommt selten vor, dass wir Sie mit einem ungelösten Fall konfrontieren, aber manchmal sind die Erkenntnisse zu einem Sachverhalt so interessant, dass sie einfach veröffentlicht werden müssen – auch wenn am Ende Fragen offenbleiben.

FARBVERÄNDERUNG UNTER TEPPICHEN

Im konkreten (stark zusammengefassten) Fall geht es um einen PVC-Verbundbelag, der in mehreren Wohnungen verlegt wurde. Der Belag an sich soll mit einem phthalatfreien Weichmacher produziert worden sein, die Verklebung erfolgte nach Auskunft des Bodenlegers im Systemaufbau mit emissionskontrollierten Verlegewerkstoffen. Die handwerkliche Ausführung ist nicht zu beanstanden, der Belag schon:

Bereits wenige Monate nach Nutzungsaufnahme bemerkten verschiedene Mieter in unterschiedlichen Wohnungen Vergilbungen in der Belagsoberfläche. Zum Erstaunen der Mieter zeigten sich diese jeweils in Bereichen, die zuvor über einen längeren Zeitraum (Wochen/Monate) abgedeckt waren. Also beispielsweise unter Fußmatten hinter der Eingangstür oder abgepassten Teppichen im Wohnzimmer. Weiterhin stellten die Mieter fest, dass sich diese Vergilbungen nach und nach nahezu vollständig neutralisierten, wenn die betroffenen Flächen Tages- oder Sonnenlicht ausgesetzt wurden. Sie konnten dieses Phänomen mit Bildern belegen, die sie beispielsweise vor und nach dem Umstellen der Möbel aufgenommen hatten. Andererseits stellten sie auch fest, dass zuvor dem Tageslicht ausgesetzte Bereiche, die dann abgedeckt wurden, ebenfalls zum Vergilben neigen.

Der Hersteller des Bodenbelags erklärte auf Anfrage des Vermieters zu dem Problem der Vergilbungen: „Aufgrund der rezeptiven Zusammensetzung der Beläge spricht man bei einer transparenten Nutzschicht vom sogenannten Dark Yellowing. Transparente Nutzschichten unterliegen einer im Dunkeln entstehenden leichten optischen Veränderung (Gelbstich). Diese wird nicht durch Prüfungen nach Normen festgeschrieben, aber durch hausinterne Produktionsvorgaben festgelegt. Dieser Gelbstich ist nicht lichtecht und wird bei Verschieben der Einrichtungsgegenstände nach und nach wieder ausgebleicht durch das einfallende Tageslicht.“

MIGRATION?
Die Beobachtung, dass Vergilbungen unter Fußmatten und Teppichen auftreten, legte nahe, dass Substanzen in die Belagsoberfläche migrieren.

MIGRATION UNWAHRSCHEINLICH

Mit der Erklärung, die die Feststellungen vor Ort bestätigt, aber keine Aussagen zur Ursache trifft, gaben sich Mieter und Vermieter nicht zufrieden. Um auszuschließen, dass möglicherweise Einflüsse aus der Bausubstanz oder andere Fremdeinwirkungen die Vergilbungen hervorrufen, wurde beschlossen, den Sachverhalt gutachterlich klären zu lassen. Hierbei konnten die Erscheinungsbilder in der bereits beschriebenen Form bestätigt werden, zudem wurden beispielsweise auch Vergilbungen des PVC-Verbundbelags unterhalb von Terrassentüren festgestellt, die im geschlossenen Zustand eine Handbreit Schatten auf den Fußboden werfen.

Diese Erkenntnis ist bedeutsam, da sie zeigt, dass auch Bereiche, die nicht offen im Tageslicht liegen, aber nicht zugedeckt sind, also ohne Kontakt zu anderen Materialien – wie Flächen unterhalb von Fußmatten – ebenfalls vergilben. Eine Migration von Stoffen, beispielsweise von Teppichrücken in den PVC-Verbundbelag, ist daher unwahrscheinlich.

LICHTENTZUG?
Optisch gleiche Vergilbungen wie unter Fußmatten wurden auch in Bereichen festgestellt, die kontaktlos im Dunkeln liegen, beispielsweise unter den Terrassentüren.

IM LABOR NACHGESTELLT

Zur weiteren Ursachenforschung wurde unverlegte Originalware des Bodenbelags bereitgestellt und im Labor des IFR Köln untersucht. Hierzu wurden Belagsstreifen lose auf eine MDF-Platte ausgelegt und je ein weißes und ein schwarzes Papierquadrat (9 x 9 Zentimeter) aufgelegt und fixiert. Die Fläche lagerte dann einige Wochen hinter einem dreifach schallschutzverglasten Südfenster.

Bei den im Wochenabstand erfolgten Überprüfungen konnten unterhalb der Papierquadrate mit bloßem Auge keine Vergilbungen der Dekorschicht erkannt werden. Bei Betrachtung der gleichen Proben unter Zuhilfenahme einer multispektralen LED-Lichtquelle in Kombination mit einem UV-A-Lichtkopf (Spektrum 365 nm) zeichneten sich die abgedeckten Flächenbereiche deutlich erkennbar ab. Eine Überprüfung zeigte, dass sich die abgedeckten Bereiche auch auf der Belagsunterseite deutlich abzeichneten. Zudem wurde – zum Erstaunen aller – ein deckungsgleiches Abbild auf der Oberfläche der MDF-Platte festgestellt.

Die Probenlagerung wurde unter Tageslichtbestrahlung noch mehrere Wochen fortgesetzt, bis die Verfärbungen der Belagsoberfläche mit bloßem Auge erkennbar waren und eine gewisse Sättigung erreichten. Auch die Rückbildung der Vergilbung konnte nachgestellt werden, indem die zuvor abgedeckten Bereiche wieder längere Zeit dem Tageslicht ausgesetzt wurden. Da die Vergilbungen in ihrer optischen Wahrnehmung reversibel sind und bei gebrauchsüblicher Nutzung der Wohnungen nicht störend im Blickfeld liegen, wurde mit den Mietern vereinbart, die ansonsten einwandfreien Bodenbelagsflächen nicht auszutauschen.

LABORPRÜFUNG
Auch wenn mit bloßem Auge noch nichts zu erkennen ist (oben), zeichnet sich bei Betrachtung mit speziellem UV-A-Licht (unten rechts) eine deutliche Veränderung der Belagsoberfläche ab.

Wissenswertes

Der Begriff „Dark Yellowing“ oder Dunkelvergilbung ist insbesondere in der Kunsthistorie ein Begriff und dort auch wissenschaftlich untersucht: Er beschreibt das Vergilben von Ölfarbe bei Lagerung im Dunkeln oder bei gedämpftem Licht sowie die Reversibilität bei Tageslichteinfluss. Ein ähnlicher Effekt ist der Reifeschleier bei Linoleum, der durch die natürliche Eigenschaft des Leinöls während des Reifeprozesses entsteht. Diese Dunkelvergilbung verschwindet bei Sonnenlichteinwirkung.

Auch bei geölten Parkettflächen ist diese Art der Farbveränderung bekannt, ebenso wie bei Fensterelementen aus PVC. Bei PVC-Verbundbelägen sorgen spezielle Stabilisatoren in der Streichbeschichtung unter anderem für Wärme- und UV-Stabilität, Transparenz, Flecken- und eben auch Dunkelvergilbungsbeständigkeit. Werden diese Stabilisatoren falsch dosiert oder die Trocknungsphase gestört, kann es zu Beeinträchtigungen der gewünschten Materialeigenschaften kommen – beispielsweise zum „Dark Yellowing“.

Fazit

Auch wenn sich im konkreten Fall die beteiligten Parteien darauf verständigten, die Bodenbeläge weiter zu nutzen, entsprechen diese nicht einem zu erwartenden Standard, der als charakteristisches Produktmerkmal oder als warentypische Eigenschaft einzustufen ist. Aus weiteren Fällen ist uns, ebenso wie der Industrie, seit Längerem das Phänomen „Dark Yellowing“ oder auch „Yellowing in the Dark“ bei PVC-Belägen bekannt. Dennoch wurde bisher keine entsprechende Produktdeklaration zu den festgestellten Eigenschaften veröffentlicht.

Daraus ergibt sich, dass der Auftragnehmer für Bodenbelagsarbeiten für dieses Erscheinungsbild nicht haftbar gemacht werden kann. Ob und inwieweit dieses Phänomen mit dem Einsatz neuer (phthalatfreier) Weichmacher und/oder neuer (Digital)Drucktechniken zusammenhängt oder die Gründe in anderen Bereichen zu suchen sind, sollte Teil einer wissenschaftlichen Ursachenforschung sein, die allen am Fußbodenbau Beteiligten zugänglich gemacht werden muss.