Hygieneprävention durch Versiegelung

Elastische Bodenbeläge versiegeln? Da schütteln vor allem die Marketingabteilungen der Bodenbelagshersteller verwundert den Kopf. Die werkseitigen Oberflächenvergütungen ihrer Beläge werden zum Teil als „lebenslang einpflegefrei“ beworben, wozu braucht es da noch eine zusätzliche Versiegelung? Die Frage konnte erstmals vor 20 Jahren ein Versuch im IFR Köln eindrucksvoll beantworten. War es bis in die 1990er Jahre noch üblich, eine Fläche elastischer Bodenbeläge nach der Verlegung einzupflegen, erübrigten in den Folgejahren die ab Werk beschichteten Oberflächen diesen Arbeitsschritt.

Bis heute gilt: Werden elastische Bodenbeläge in Fliesen oder Bahnen mit diesem Zusatznutzen verlegt und deren Nähte verfugt oder verschweißt, kann auf die Einpflege verzichtet werden. Die Flächen sind schmutzabweisender, leichter zu reinigen und im Regelfall strapazierfähiger.

Parallel zur Einführung dieser Oberflächenvergütungen wuchs auch der Anteil der Designbeläge – Kunststoffböden im Fliesen- oder Plankenformat. Ihre Besonderheit: Die aneinandergrenzenden Elemente werden nicht durch Verschweißen miteinander verbunden, die Fugen bleiben offen. Auch dann, wenn sie dicht stoßend aneinandergelegt, also die Verlegung fachlich einwandfrei ausgeführt wurde. Der besagte Versuch (nachzulesen in der RZ 2/2000 „Erstpflege und Erstbeschichtung von elastischen Bodenbelägen“) zeigte, dass Feuchte in die Fugen nicht eingepflegter Bodenbeläge eindringen kann.

VERSUCH
Verklebte und nachträglich versiegelte LVT-Beläge wurden mehrfach gereinigt. Dem Wischwasser wurde eine Substanz zugegeben, die unter forensischem Licht sichtbar wird.

In der Folge kann es zur Unterwanderung des Belages kommen und dieser sich vom Untergrund ablösen. Labor- und Praxisversuche belegten, dass eine Einpflege dies verhindern kann. Fünf Jahre später klärte dann der Boden-Profi, Folge 17 (RZ 9/2005), auf, dass die Auslobung „Objekteignung“ nicht automatisch bedeutet, dass ein Bodenbelag auch in Arztpraxen verlegt werden kann. Spezielle Hygieneanforderungen verlangen im Regelfall eine dicht geschlossene Oberfläche, über die unverfugt verlegte Element-Bodenbeläge nicht verfügen.

In den Folgejahren war diese Problematik immer häufiger Bestandteil von Anfragen und Gutachteraufträgen. Dabei stellte sich heraus, dass einschlägige Normen und Merkblätter nur unzureichende und im Regelfall nicht allgemeingültige Vorgaben dazu machten. Das IFR Köln befragte zu diesem Sachverhalt über 30 Gesundheitsämter in Deutschland und trug die Ergebnisse im Boden-Profi, Folge 141 (RZ 12/2016), zusammen. Die eingegangenen Stellungnahmen trafen deutlich eine einheitliche Aussage:

In Räumen des Gesundheitswesens sind Fugen in Bodenbelägen – egal ob dicht gestoßen oder minimal geöffnet – nicht zulässig. Zudem seien die örtlichen Gesundheitsämter dafür zuständig, eine objektbezogene Freigabe zu erteilen. Grundlage dieser Freigaben bilden häufig die Vorgaben der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“. Sie werden vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) ermittelt und angepasst sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gegeben.

Unter Punkt 1.2.3 Oberflächen, Desinfektion heißt es: „Alle Oberflächen müssen wasserundurchlässig, leicht zu reinigen und gegen die verwendeten Desinfektionsmittel und Chemikalien beständig sowie glatt und fugenlos beschaffen sein. Ecken und Kanten des Raumes sollten aus Gründen der leichteren Reinigung/Desinfektion vorzugsweise gerundet sein.“

ERGEBNIS
Unter forensischem Licht (Bild rechts) wird deutlich, dass die Versiegelung den Wischwassereintritt in die Fuge (obere Bildhälfte) verhindert hat, während im unversiegelten Bereich das Wasser in die Fuge sickerte (untere Bildhälfte).

BEMERKENSWERTE ERGEBNISSE

Sind diese Anforderungen nur mit verschweißter Bahnenware zu erreichen oder können auch nachträglich oberflächenbehandelte Fliesen und Planken sie erfüllen? Dieser Frage ging das IFR Köln in einer eingehenden Untersuchung eines marktreifen Versiegelungssystems für elastische Bodenbeläge auf den Grund – und fand Erstaunliches. Der Versuchsaufbau bestand aus zwei zehn Quadratmeter großen Probeflächen. Auf der einen wurden LVT-Bodenbelagsplanken fachgerecht dicht gestoßen verklebt, auf der anderen wurden Fugen von 0,4 bis 0,6 Millimeter eingebaut.

Nach Trocknung der Verklebung wurden die Flächen jeweils halbseitig mit dem Versiegelungssystem – einer zweikomponentigen Polyurethan-Dispersion – nach Vorgaben des Herstellers lackiert. 14 Tage nach Fertigstellung erfolgte eine vollflächige Grundreinigung der Versuchsflächen und in den folgenden acht Wochen eine tägliche Unterhaltsreinigung durch feuchtes Wischen. Dem verwendeten Wasser wurde in allen Arbeitsschritten ein spezielles Farbpigment zugesetzt. Dieses wird unter Zuhilfenahme einer forensischen Lichtquelle gelblich sichtbar.

Bei der späteren Überprüfung der nachträglich versiegelten Flächenbereiche konnten weder auf der Belagsoberseite noch in den Fugenbereichen nennenswerte Rückstände des fluoreszierenden Reinigungsmittels gefunden werden. Im Gegensatz dazu zeigten sich im unversiegelten Bereich sowohl auf der Belagsoberfläche als auch in den Fugen deutliche Ablagerungen. Damit aber nicht genug, konnte dort auch festgestellt werden, dass die Reinigungsflüssigkeit den Belag unterwandert und sich zwischen den Klebstoff-Riefen abgelagert hat. Bemerkenswert: Auch bei den vorsätzlich mit 0,4 bis 0,6 Millimeter Breite verlegten Fugen konnte das Versiegelungssystem den Feuchtigkeitseintritt verhindern.

BEMERKENSWERT
In den unversiegelten Flächenbereichen konnte nachgewiesen werden, dass die Feuchtigkeit den Belag sogar bis in die Klebstoff-Fuge unterwandert.

Wissenswertes

Die TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), gibt Information zur Beschaffenheit von Bodenflächen in Arztpraxen.
Kostenloser Download auf www.baua.de.

Der Leitfaden „Hygiene in der Arztpraxis“ des Kompetenzzentrums (CoC) Hygiene und Medizinprodukte gibt unter anderem Hinweise für Fenster, Vorhänge, Sonnen- und Insektenschutz in Arztpraxen.
Kostenloser Download auf www.kvno.de.

Immer aktuelle und allgemeingültige Informationen zum Thema geben die „Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ (KRINKO) des Robert Koch-Institutes.
Nachzulesen unter www.rki.de.

Service: Schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „Hygieneprävention“ an jens.lehmann@winkler-online.de und Sie erhalten die drei im Text zitierten RZ Beiträge sowie diesen im PDF-Format.

Fazit

Moderne Systeme zur nachträglichen Versiegelung verlegter Fliesen und Planken sind in der Lage, das Eindringen von Feuchtigkeit in die Fugen sowie das Unterwandern des Belags zu verhindern. Sie können somit die allgemeinen Anforderungen der TRBA 250 sowie die speziellen Anforderungen der Gesundheitsämter an Bodenbeläge in Einrichtungen des Gesundheitswesens erfüllen. Darüber hinaus sind sie in der Lage, einen elastischen Bodenbelag desinfektionsmittelbeständig zu machen – in Zeiten von Corona eine gefragte Zusatzeignung und eine tolle Serviceleistung zur Erweiterung Ihres Angebotsspektrums.

Und: Ein weiterer Einsatzbereich dieser Systeme ist es, alten, unansehnlichen Oberflächen elastischer Bodenbeläge ein neues Aussehen zu verleihen. Damit nicht genug, kann dadurch auch die Lebenszeit eines Belages verlängert werden, was gerade auch unter Nachhaltigkeitsaspekten begrüßenswert ist.