Bauforensik – PVC-Verfärbungen durch Gießharze – Bauforensische Untersuchungen mittels UV-Techniken

Auf Estrich verschütteter Epoxidharz-Härter verfärbt PVC-Beläge

Die Sachverständigenpraxis hält immer wieder Überraschungen bereit, die einen manchmal verwundert die Augen reiben lassen. Zum Teil ist die Ursache dieser „Fälle“ auf den ersten Blick gar nicht zu erklären und häufig nur mit forensischen Techniken und moderner Analytik nachzuweisen. Ob Makro- oder Mikrofotografie, IR-Reflektions- oder UV-Fluoreszenztechniken, die „Spurensuche“ des Sachverständigen gleicht heute gelegentlich der Tätigkeit eines Kriminaltechnikers. So auch bei der Überprüfung von Fleckenbildungen in einem PVC-Bodenbelag.

Rund zwei Jahre vor der Begutachtung wurden in einem Verwaltungsgebäude PVC-Verbundbeläge verlegt. Nach Auskunft der Beteiligten erfolgte die Verklebung auf einen grundierten und gespachtelten Zement-Estrich auf Trennlage ohne weitere Beanstandungen. Zwei bis drei Monate nach Ingebrauchnahme zeigten sich auf der regelmäßig gereinigten Oberfläche der PVC-Beläge erste fleckenartige Verfärbungen. Diese muteten teilweise wie Tropfspuren an, andere wie kreisrunde Abdruckstellen oder waren wie Farbkleckse geformt.

Zur Ursachenforschung wurde eine beige-bräunliche bis rötlich-orange Fleckenbildung in der Oberfläche des hellen PVC-Bodenbelages näher untersucht (Bild 1).

14_08_bauforensik_01
Bild 1


Entsprechend der sichtbaren Verfärbung der Oberfläche des PVC-Bodenbelages zeigte dieser auch im Querschnitt, also in der Dekorfolie und der Träger- sowie Füllschicht, diffuse bis deutliche Verfärbungen (Bild 2).

 

14_08_bauforensik_02
Bild 2


Zur Feststellung des Zustandes und der Beschaffenheit des Untergrundes wurde im Bereich der fleckenartigen Verfärbung der Bodenbelag eingeschnitten und hochgeklappt. Es zeigte sich signifikant spiegelbildlich zu den in der Oberfläche des Belages sichtbaren Verfärbungen eine Bruchzone in der Spachtelmasse. Diese hatte sich entsprechend den Konturen der Fleckenbildungen vom Untergrund gelöst und haftet an der Belagsrückseite an (Bild 3).

 

14_08_bauforensik_03
Bild 3


Zwischen der vom Untergrund abgelösten, an der Rückseite des heterogenen PVC-Bodenbelages haftenden Spachtelmasse und der Oberfläche des Zementestrichs wurden einerseits dehäsiv und andererseits migrierend, infolgedessen färbend wirkende, ölige und/oder fettige Substanzen festgestellt. Da gleichgelagerte Erscheinungsbilder im gesamten Gebäude verteilt feststellbar waren, wurden für weitere Prüfungen Bodenbelagsproben und Bohrkerne aus den betroffenen Bereichen entnommen.

Neue Erkenntnisse im Labor

Die Ausbauproben wurden im technischen Labor des IFR mikroskopiert sowie unter kurzwelligem und langwelligem UV-Licht betrachtet (Bild 4).

Bild 4
Bild 4


Deckungsgleich zu der sich von der Zementestrichoberfläche ablösenden Spachtelmasse und deckungsgleich zu der in diesem Bereich vorhandenen Verfärbung im Bodenbelag zeigte die obere Estrichrandzone bis circa zwei Millimeter tief eine fluoreszierende, durch UV-Licht aktivierte Substanz (Bilder 5 und 6).

 

14_08_bauforensik_05
Bild 5
14_08_bauforensik_06
Bild 6


Im Gegensatz dazu sind im direkten Übergangsbereich der Bruchzonen, also dort, wo die Spachtelmasse fest am Untergrund haftet, diese Substanzen nicht erkennbar (Bilder 5 und 6).

Um chemisch-physikalische Wechselwirkungen zwischen möglicherweise auf die Oberfläche einwirkende Substanzen und dem PVC-Belag zu überprüfen, wurden entsprechende Langzeitversuche durchgeführt. Dazu wurden 24 unterschiedliche, flüssige und pulverförmige Reinigungsmittel und ähnliches beaufschlagt. Die Beobachtung des Versuchsaufbaus über den Zeitraum von elf Monaten zeigte allerdings keine vergleichbaren Verfärbungen des PVC-Bodenbelages.

Gelöste Weichmacher

Erst eine vom IFR Köln parallel beauftragte analytische Untersuchung der fluoreszierenden Substanz im Bereich der oberen Estrichrandzone brachte neue Erkenntnisse: Das zertifizierte Labor fand unter anderem im Extrakt der fluoreszierenden Estrichteile Epoxidharze und Hinweise auf Stickstoffträger. „Hier sind freie NH-Gruppen und Amidgruppen erkennbar. Die Anwesenheit von Aminamidhärtern ist möglich. Die Extrakte der fettig, ölig wirkenden Substanz unter dem Fleck bestehen hauptsächlich aus Weichmachern. Auch hier sind zusätzlich stickstoffhaltige Materialien sowie Hinweise auf weitere aromatische Systeme zu finden“, heißt es in dem Labor-Bericht.

Aus fußbodentechnologischer Sicht deuten die gewonnenen Ergebnisse daraufhin, dass die festgestellten Substanzen in Zwei-Komponenten-Epoxidharzen vorkommen, wie sie regelmäßig in der Baupraxis Verwendung finden, beispielswiese zur Risssanierung von Estrichen, aber auch zum Festsetzen von Bauelementen im Wand- und Deckenbereich.

Um diese These zu bestätigen wurden im technischen Labor des IFR Estrichproben ebenso grundiert und gespachtelt wie im Objekt und vor der Verklebung eines gleichen PVC-Bodenbelags punktuell mit Epoxidharz-Härter „verunreinigt“. Nach einem Zeitraum von zwei Monaten zeigten sich deutlich sichtbar zunächst gelbliche, dann rötlich-orange Verfärbungen in der Belagsoberfläche sowie im Belagsquerschnitt. Die Spachtelmassenschicht wies zudem deckungsgleich Verfärbungen und einen beginnenden Kohäsionsbruch auf (Bilder 7 und 8).

14_08_bauforensik_07
Bild 7
14_08_bauforensik_08
Bild 8

Fazit

Auch wenn der exakte Hergang der Verunreinigung nicht rekonstruiert werden konnte ist davon auszugehen, dass unbeabsichtigt verschütteter Epoxidharz oder Epoxidharz-Härter die Belagsverfärbung verursacht hat. Die Härterkomponente ruft beim Zusammentreffen mit den Verlegewerkstoffen und dem heterogenen PVC-Bodenbelag chemisch-physikalische Wechselwirkungen hervor, die zu Weichmacherwanderungen und letztlich Verfärbungen und Ablösungen führen.

Gestützt wird diese These auch dadurch, dass in den letzten Jahren gleichgelagerte Fälle bearbeitet wurden, bei denen andere Verlegewerkstoffe und PVC-Bodenbeläge auf anderen Estrichen zum Einsatz gekommen sind, aber gleiche Erscheinungsbilder zeigten.

Da in der Praxis nicht nur der Bodenleger selbst mit Zwei-Komponenten-Epoxidharz arbeitet, sondern auch andere Gewerke, kann der Verursacher nicht ermittelt werden. Auch ist es dem Bodenleger nicht möglich, solche Verunreinigungen zuverlässig und mit vertretbarem Aufwand zu erkennen. Allerdings sollte er bei seiner eigenen Arbeit größte Vorsicht walten lassen und selbst verursachte Epoxidharz-Verunreinigungen entfernen oder absperren.